FORMEL 1 (INTERVIEW 2000)

Autogrammkarte von 1984
Hier habe ich für euch ein Interview aus dem Jahre 2000, welches Kai Wollwert für das Heavy Metal-Fanzine UNITED FORCED führte:

FORMEL 1 waren bzw. sind in sofern ein Phänomen, als daß es sich bei dieser Berliner Band um die einzige Heavy Metal Formation handelt, die es zu Zeiten des DDR-Regimes zu einer vollständigen LP gebracht hatten. Vorher und nachher mußte die Band um Sänger Norbert Schmidt allerdings einen sehr steinigen Weg gehen, den weder die Musik noch das Gedankengut, daß der freiheitsliebende Metal mit sich bringt, waren in Honecker-Country sonderlich gefragt. Über einige Umwege konnte ich Sänger Norbert Schmidt in Berlin ausfindig machen und führte mit ihm das folgende Gespräch über Metal, DDR und noch einiges mehr!

Die Ursprünge von FORMEL 1 reichen zurück bis ins Jahr 1981. Wie muß man sich damals die Gründung einer Band in der DDR vorstellen?
Das war so, wir waren zu dieser Zeit drei Mann, die vorher schon zusammen in einer Rock Band gespielt hatten, und auch da haben wir immer schon mal Hard Rock-Sachen wie Deep Purple und so gecovert. Mit aus diesem Grunde hatten wir uns dann dazu entschieden, nur noch die Metal-Richtung zu verfolgen. Da waren wir uns schnell einig und so wurde die Trennung bzw. Gründung dann auch vollzogen. Zu uns stieß dann noch der Tscheche an der Gitarre und Proberaum und so was war ja schon vorhanden, das war also nicht das große Problem. Die Probleme lagen damals immer anderweitig, nämlich da, dass es schon mit Hard Rock schwierig genug war, anerkannt zu werden und jetzt wo es noch härter werden sollte, hatten wir wirklich mit heftigen Problemen zu kämpfen. Die Medien und die staatlichen Einrichtungen waren alle gegen uns. Die haben regelmäßig die Hände über'm Kopf zusammengeschlagen, wenn ich bei denen aufgetaucht bin. Keiner hat dich als Metal Band gemocht. Und da meine Person sowieso schon bei denen bekannt war, wurde es noch schwieriger, weil es überall nur hieß "Ach der schon wieder!" Wir haben die ganze Sache dann alles so eher durch die Hintertür gemacht und schlußendlich wurde uns die Band dann auch genehmigt.

Wie kamt ihr auf einen Namen wie FORMEL 1, der ja quasi eine Versinnbildlichung des kapitalistischen Sports war und ist?
Der Name FORMEL 1 stand für uns sehr schnell fest. Es stimmt, die Formel 1 wurde im Osten nicht sonderlich gemocht, da fragten sie dann schon nach, warum es denn dieser Name sein mußte. Wir sagten dann, das ist die Klasse, die nach oben unbegrenzt ist. (Jaja das war noch Anfang der 80er zu seligen Turbolader-Zeiten in der Motorsport-Königsklasse, Kai) Das haben sie dann auch akzeptiert. Außerdem paßte dieser Name auch zu unserer schnellen Musik und der ganzen Sache an sich. Man mußte in der DDR eben immer für alles eine Begründung haben, also haben wir uns diese Sachen auch schon vorher zurecht gelegt.

Woher habt ihr in der DDR eigentlich eure Instrumente samt Zubehör bekommen? Ich nehme mal an, bei euch gab's keinen Music Store oder ähnliches, wo man sich die neuesten Modelle von Gibson, Hamer oder Fender kaufen konnte. Also wo nahmt ihr diese Sachen her?
Haha, woher wohl? Aus der BRD! Da jeder eine Oma, Tante oder Mutter hatte, die dann und wann mal in den Westen fahren durfte, weil sie schon über 60 waren, haben sie dort dann für uns Pakete gepackt und an uns zurück gesendet. So kamen unsere Gitarristen also auch in den Geschmack von Gibson und Fender. Die P.A. war da schon ein größeres Problem, damals war es ja auch noch nicht so weit mit den Verleihern, so mußte jede Band eben eine eigene P.A. am Start haben. Das war dann ein sehr großes Problem, weil diese Anlagen ja alle sehr umfangreich waren, das mußte man dann alles mit der Post schicken lassen. (Hätte auch bestimmt lustig ausgesehen, wenn eine 60jährige Frau mit dem neuesten Marshall Verstärker bewaffnet die Grenze gen Osten überquert hätte, Kai) Auf diesem umständlichen Wege kam das alles zustande.

Das muß ja eine ziemliche Puzzle Arbeit gewesen sein?
Na ja, war alles nicht so toll, aber der Idealismus hat's dann gebracht.

Was war euer erster eigener Song?
Der hieß "Mensch Rosie". Das kam so, wir haben kaum eine Chance gesehen, Medienpräsenz zu erlangen, da konntest du nur etwas machen, wo du beim Staat nicht aneckst und wo man mehr durch die Hintertür seine Musik publik machen konnte. Wir waren ja nun eine Berliner Band, also versuchten wir es zuerst einmal mit Berliner Mundart und nahmen so zwei Songs auf, u.a. eben auch "Mensch Rosie". Das machten wir damals bei dem ehemaligen Puhdys-Schlagzeuger (Gnther Wosylus, Hendrik), der ein eigenes Studio hatte. Diese Sache war dann auch relativ erfolgreich bei den Rundfunkanstalten, die ein ziemliches Monopol hatten. Und als die Sache dann erstmal im Rundfunk gespielt war, war das schon die halbe Miete. Mit dem Stück sind wir dann sogar auf Platz 1 gekommen, was ja gar nicht so schlecht war.

Zwischenfrage: Wißt ihr noch, wo heute die Original-Bänder der Aufnahmen sind?
Ja klar, die haben wir alle zu Hause.

Na immerhin. Es dürfte ja bekannt sein, daß Rock und Metal-Bands in der DDR keine eigenen Songs in Englisch singen durften, aber wart ihr nie in Versuchung gekommen, wenigstens für euch selbst im Proberaum, einen eurer Songs mit englischen Texten zu versehen, alleine schon um mal zu hören, wie meinetwegen "Mach keine Wellen" in Englisch klingen würde?
Nein, nie wozu auch? Wir haben ja eh keine Chance gehabt, dass das Stück mal hätte öffentlich aufgeführt werden dürfen. Das war vor allem für mich als Sänger von Anfang an ein Horror gewesen, auf Deutsch singen zu müssen. Für die anderen in der Band war es total egal, das mit der Sprache blieb ja alles an mir hängen. Irgendwann hatte man sich aber daran gewöhnt, und es ging dann ja auch einigermaßen. Englisch wäre uns allen aber lieber gewesen. Aber wir waren immerhin die erste DDR Band, die englische Songs covern und später dann auch auf Platte veröffentlichen durfte. Aber die staatlichen Stellen waren hier wohl einfach nur etwas nachlässig, weil wenn sie sich mal die Mühe gemacht und nachgeschaut hätten, dass "Breaking the Law" auf Deutsch "Brich das Gesetz" heißt und das als Angriff auf den DDR-Staat gewertet hätten, wäre das wohl niemals genehmigt worden. Diese Coversachen wurden uns dann also von der AMIGA erlaubt, es dauerte eben nur relativ lange, bis es durch war. Das wir das damals geschafft haben, war ein ziemlich langwieriger Prozeß gewesen. Diese Bürokraten damals ... über soviel Schwachsinn kann man gar nicht mehr reden. Wenn du das heute jemandem erzählst, das glaubt dir kein Mensch. Heavy Metal war für die das Letzte.

So ist es wohl überall. Seit einigen Jahren sogar in ehemaligen großen Heavy Metal-Zeitschriften! Zurück zum Metal, hättest du überhaupt eigene Texte auf Englisch singen können, weil in der Schule habt ihr das wohl nicht gelernt?
Nee nee, das wäre auch das nächste Problem gewesen. Ich habe immer nur phonetisch gesungen, weil auch die Möglichkeit gar nicht vorhanden war, Englisch zu lernen. Klar konnte man einen Abendkurs belegen, aber über ein sehr simples Schul-Englisch kam man damit nicht hinaus. Auch konnte man es dann sowieso nirgendwo anwenden, weil man nirgendwo hinfahren konnte. So vergaß man das Gelernte nach spätestens einem Monat wieder.

Als erste richtige Veröffentlichung erschien 1985 eure Single "Mach keine Wellen" über Amiga. Wie kam das zu Stande?
Wir wurden einfach irgendwann gefragt, ob wir eine Single machen möchten und na klar wollten wir das, wer hat schon was dagegen, wenn das erste mal eine Single mit deiner Musik darauf erscheinen soll. Da waren wir schon happy. Für die Single wurden dann einfach die bereits gemachten Aufnahmen für die Rundfunkeinsätze auf Vinyl gepresst und dann veröffentlicht. Einfach weil das die billigste Möglichkeit für AMIGA war.

Als ihr erst einmal von öffentlicher Seite als Profiband anerkannt worden wart, spieltet ihr in den darauf folgenden Jahren an die 100 Konzerte im Jahr. Da würden sich früher wie heute viele Metal Bands die Finger nach lecken ...
Es war damals normal, dass wir 3 bis 5 mal die Woche irgendwo in der DDR gespielt haben. Wo auch sonst, wir durften ja nicht raus. Selbst Polen oder die CSSR waren für uns als Band unerreichbar. Die Auftritte haben wir damals auch alle selbst koordiniert. Wir haben seinerzeit schon oftmals 3 mal im Jahr beim gleichen Veranstalter gespielt, das ist schon klar. Die Läden waren eben immer voll, wenn wir kamen, also hat uns der örtliche Veranstalter sofort wieder gebucht. Die waren zufrieden, daß Geld in die Kassen kam und wir genauso.

Das war dann ja fast schon wieder kapitalistisch?
Was heißt kapitalistisch? Du mußtest als Band in der DDR ca. einmal im Jahr eine Einstufung machen. Bei so einer Einstufung wurde vom Staat festgelegt, wieviel Gage man als Band bei einem Veranstalter verlangen durfte. Als Amateur-Band konntest du maximal 7,50 Mark die Stunde und pro Bandmitglied verdienen und als Profi waren das bis zu 15,- Mark pro Stunde. Später war es so, daß du als Band eine Einstufung gemacht hast. Da wurde dann festgelegt, dass wir pro Auftritt bis zu 2.000,- Mark abzüglich Steuern nehmen durften, wenn das der Veranstalter zahlen konnte. Mehr durften wir nicht verlangen, weil das eben staatlich festgelegt war. Bei dieser Einstufung mußte man als Profiband bei einer Kommission von sechs Leuten Nachweise über die gespielten Konzerte abliefern und die haben dann gesagt, dass man 1.500,- oder eben 2.000,- Mark pro Auftritt verlangen dürfte. Bei bekannten DDR Bands wie den Puhdys oder Karat wurden dann natürlich Summen wie 12.000,- oder 20.000,- Mark festgelegt, das waren damals so die Zahlen.

Wieviel Leute kamen denn damals so zu euren Konzerten?
Das war unterschiedlich und hing auch von der Saalgröße ab. Das ging von 100 bis 1.000 Leuten, so in der Richtung. Das waren dann auch alles Metaller, eine richtige Fangemeinde von uns. Wir sind aber nie größenwahnsinnig geworden. Andere Bands, die auch eine Single herausgebracht hatten, meinten dann, dass sie sich nicht mehr mit den Leuten unterhalten müßten. Der Kontakt zu den Fans war uns immer sehr wichtig gewesen, schließlich haben wir ja auch für sie gespielt.

Habt ihr damals von der Musik gelebt?
Ja, natürlich!

Na, das muß doch für euch trotz Sozialismus eine feine Sache gewesen sein?
Na ja, zu einem gewissen Teil schon, wenn nicht immer diese Querelen gewesen wären. Andere Bands durften schon mal in den Westen, aber wir mit unserem Heavy Metal waren da immer Außenseiter und dementsprechend wurde man auch behandelt. So sind wir eben immer nur durch die Republik gereist.

Und nach etlichen Auftritten, kam es 1986 endlich zur Realisierung der ersten und einzigen FORMEL 1-LP. Die allerdings "nur" als Livemitschnitt erscheinen sollte. Wie kam es zu "Live im Stahlwerk"?
Der Auslöser war, daß wir relativ viel Rundfunktitel hatten, die auch in der Hitparade ganz gut liefen. Dann hatte sich ein Produzent gefunden, der eine LP mit uns machen wollte, aber eben keine Studioscheibe sondern eine Live LP, weil das ja auch viel preiswerter war, ging ja mal wieder um Kohle. Wir sind dann hingegangen und haben uns einen Saal und das Drumherum besorgt und die AMIGA-Leute sind dann bloß noch mit ihrem Equipment gekommen und haben die Sache dann aufgenommen. Es war ja nicht so, dass AMIGA da was für uns im Vorfeld organisiert hätten, wie das Plattenfirmen normalerweise für ihre Bands tun. Aber egal, uns war ja auch selber sehr daran gelegen, daß die Scheibe gut werden würde. Es war ja auch eine Chance und gleichzeitig auch eine Genugtuung für uns, weil wir die ersten waren.

Kamen eure Fans von weither für diese beiden Konzerte?
Samstags waren Fans aus der ganzen DDR da. Sonntags nicht mehr ganz so viele. Ich rege mich ja auch noch bis heute darüber auf, dass die Bänder mit dem Zuschauerbeifall vom Samstag verschwunden sind und auf der LP später nur die Fans vom Sonntag zu hören waren. Bei Amiga hat irgendwer das Band mit den Zuschauerreaktionen gebraucht und es ist nie wieder gefunden worden. Kann man gar nicht erzählen, was da alles gelaufen ist, kann sich keine normale Firma leisten, aber da AMIGA ein staatliches Unternehmen war, konnte es den dortigen Angestellten egal sein.

Auf der LP waren neben eigenen Songs auch die zwei besagten Coverstücke "Breaking The Law" von JUDAS PRIEST und "Hallowed Be Thy Name" von IRON MAIDEN zu hören. Weißt du, ob AMIGA jemals sowas wie Tantiemen an diese beiden Bands bezahlt hat?
Kann ich nicht sagen, aber wohl eher nicht ... Da war ja ein schützender "Vorhang" dazwischen.

Und wie sah es mit Tantiemen für eure eigenen Songs aus?
Laß mal überlegen... Da war schon so was wie die GEMA, wo du für die verkauften Zahlen Tantiemen bekommen hast. Von der "Live im Stahlwerk" wurden der Planwirtschaft entsprechend etwa 40.000 Stück gepresst und da haben wir auch was für bekommen.

Wie habt ihr eigentlich damals Werbung für einen FORMEL 1 Konzert gemacht?
Gute Frage. Also wenn du Plakate drucken lassen wolltest, mußtest du dafür eine Genehmigung haben ... nicht lachen ... weil es kann ja sein, dass da eine Schrift drauf zu sehen ist, die dem Staat nicht gefällt. Bei uns ging es dann immer um diese "Runen", die für mich ganz normal waren. Die meinten, das wäre "Runenschrift" und das gehöre nicht auf ein Plakat. Oder es ging nicht, wenn man künstlerisch etwas gestalten wollte. Das mußte man sich alles vorher genehmigen lassen. Und dann jemand zu finden, der das genehmigte Plakat dann in 3 oder 4 Farben so drucken konnte, dass man z.B. den Arm eines Gitarristen noch richtig erkennen konnte ... was ich da alles erlebt habe ... Nein! Mußten wir auch alles selber organisieren, weil wir keinerlei Management hatten. Aus diesem Grunde wußten wir auch, was da so alles abging.

Bei euch selbst ging aber auch einiges ab, z. B. mehrere Besetzungswechsel.
Eigentlich waren das nicht so viel, nur bei den Gitarristen drehte sich das Karussell öfters. Wenn man zwei Gitarristen hat, dann bleibt einer eben immer auf der Strecke, weil die zwei konkurrieren immer untereinander und der Schwächere, der unterlag, stieg eben immer aus.

Hast du eine Ahnung, warum "Live im Stahlwerk" die einzige Heavy Metal-LP bleiben sollte, die jemals in der DDR erschienen ist?
Ich weiß es nicht genau, die anderen Bands hatten wahrscheinlich nicht so viel Material, oder die Songs waren nicht so oft im Rundfunk zu hören. Wir waren aber auch schon sehr lange dabei, wenn man die Zeit von 1981 bis 1986 rechnet. Jedes Jahr durfte man nur zweimal Rundfunkaufnahmen machen und so kamen wir in dieser Zeit eben auf zwölf Titel und da wir recht erfolgreich waren, ist das eben mit der LP gekommen. Wenn jetzt eine Band 1986 angefangen hatte und sie auch jedes Jahr ihre zwei Aufnahmen gemacht hätten, hätten sie theoretisch erst 1992 genug Material für eine LP zusammen gehabt. Das lief eben alles stur nach Planwirtschaft.

War bei dem Kontakt von euch zu anderen DDR Metal-Bands dann nicht auch immer wieder mal so was wie Neid und Missgunst mit im Spiel?
Also es gab schon noch einige andere Metal-Bands in der DDR, wie z.B. HARDHOLZ, METALL, MERLIN oder DR. ROCK, aber die fingen alle erst einige Jahre nach uns an. Die sind dann schon etwas in unserem Fahrwasser mitgeschwommen. Bei METALL spielte übrigens der Sven am Bass, der heute in Berlin dass "Halford" betreibt. Als wir damals in den Westen abgehauen sind, hat er unsere P.A. übernommen. Der Sven war genau so ein Kämpfer wie ich, der war von der Pieke auf dabei gewesen. Mit dem "Halford" hat er ja auch heute noch schwer zu kämpfen, er ist halt immer noch der liebe alte Sven und kein richtg knallharter Geschäftsmann, was man heute einfach sein muß.

Wie war denn jetzt das Verhältnis zu den anderen Bands?
Da gab's keine Probleme, klar gab's von anderen Bands auch schon mal sowas wie Neid, aber wir hatten da kein Problem mit; und die anderen eigentlich auch nicht. Dadurch, daß wir einfach schon viel länger im Geschäft waren, hatten wir aber auch nun mal z.B. schon ein besseres und größeres Equipment, was bei uns ein ganz wesentlicher Vorteil war. Auch von unseren alten Rockbands konnten wir immer noch viel an Erfahrungen zehren.

Ich denke, diese Erfahrungen sind FORMEL 1 sehr zu Gute gekommen?!
Ja natürlich, wenn du dir mal ein Rocklexikon der DDR nimmst, dann wirst du da überall auf meinen Namen stoßen. Als ich angefangen habe, Musik zu machen, ging es in der DDR gerade erst los. Ich habe von 1964 bis 1980 in einer Band (im JOCO-DEV-SEXTETT, Hendrik) gespielt, die relativ erfolgreich war, aber da ich damals den Weg der Deutschen Texte noch nicht gehen wollte, was auf meinen damaligen Starrsinn zurückzuführen war, ging es eben nie über einen gewissen Punkt hinaus. Ansonsten waren wir da auf dem gleichen Weg wie die PUHDYS gewesen. Aber ich war eben kein Lecker und Kriecher und hab mich nie in eine Schablone pressen lassen. Unsere Band war damals auch öfters verboten. Einmal hatten wir da Riesenärger, weil ein Gitarrist von uns sich so ca. 1973 über einen Österreicher eine P.A. direkt aus dem Westen hatte mitbringen lassen. Das flog aber dann beim Zoll auf, die die Anlage sogleich einzogen. Wir haben damals alle Haftstrafen dafür gekriegt, DDR typisch. Wir wollten nur eine gute Anlage haben, nachdem wir gesehen hatten, was Bands aus Polen und Tcheschien für supergeile Anlagen am Start hatten, da konnte man unsere Kinderdisco dagegen vergessen. Der Gitarrist hat dann drei Jahre gesessen und ich habe Bewährung gekriegt und 25.000,- Mark Strafe. Das habe ich alles schon mitgemacht. DDR und Musik ist schon ein Thema für sich.

Zurück in die 80er zu FORMEL 1. Wie und wann hast du erkannt, dass es mit FORMEL 1 nicht weiter gehen konnte?
Unser Schlagzeuger und ich haben gemerkt, daß es nicht mehr weiterging. Wenn du ständig Ideen in Bezug auf Musik und Texte hast, sie aber niemals 100%ig verwirklichen kannst, über Jahre hinweg, das zermürbt dich irgendwann. Da hat es einfach an allen Fronten geklemmt. Es wurden immer die gleichen Bands unterstützt und das wollten wir einfach nicht mehr mitmachen. Also haben wir einen Ausreiseantrag gestellt. Sofort daraufhin hagelte es für uns ein Spielverbot. Wir hatten zu dieser Zeit schon wieder einige Verträge für Gigs unterschrieben, aber als das dann mit dem Ausreiseantrag herauskam, wurden wir dort sehr schnell wieder ausgeladen.

Trotzdem habt ihr es noch auf ein Abschiedskonzert gebracht...
Das war eine gute Sache. An diesem Abend waren alle Gitarristen da, die jemals bei FORMEL 1 gespielt hatten und nach dem Konzert haben wir eine sehr schöne Session gefeiert. Das Konzert selber war auch sehr gut gewesen und mit 600 Leuten total ausverkauft. Das war damals übrigens in dem Laden, den heute der Sven betreibt. Damals war der auch schon da gewesen.

Hast du als du dann im Westen warst weiterhin Musik gemacht?
Nee nee, für mich war das Kapitel Musik abgeschlossen und beendet. Das wäre auch so geblieben, nur haben wir jetzt in jüngster Zeit wieder einige Auftritte mit FORMEL 1 gespielt.

Aber zuerst brachte der liebe Herr Klemm (vom ROCK HARD, Hendrik) bereits 1996 völlig überraschend eure "Live im Stahlwerk"-Scheibe zusammen mit der "Mach keine Wellen"-Single als Bonustracks erstmals auf CD heraus...
Ja, 1996 hat mich der Oliver angerufen und gefragt, ob ich Interesse daran hätte. Klar hatte ich Interesse. Dann haben wir ein bisschen am Telefon gequasselt. Er hat dann wohl die Rechte von der ARIOLA gekauft, die nach der Wende das komplette AMIGA-Programm übernommen hatte. So kam das.

Und wie kam die CD so an in deinem Bekanntenkreis?
Die finden das alle sehr kultig, was ich natürlich als Beteiligter nicht so nachempfinden kann. Aber die Leute mögen es. DDR Musik so wie es war. Ein echtes Zeitdokument!

Okay, zweimal habt ihr jetzt wieder gespielt. (siehe auch dem Konzert-Bericht auf dieser Seite, Hendrik) Einmal in Berlin und einmal in Sachsen, wie wars denn?
Sachsen war früher mal unsere Hochburg gewesen. Aber wenn ich da heute hinfahre, ist das schon sehr traurig. Die Leute haben heute aber einfach auch viel mehr Möglichkeiten, etwas in ihrer Freizeit zu unternehmen, also kommen einfach nicht mehr so viele zu den Gigs. Und die jungen Leute kennen uns allenfalls noch vom Hören-Sagen, da ist ja inzwischen eine ganz neue Generation am Start. Aber es macht uns Spaß und das ist die Hauptsache. Wir proben jetzt auch wieder regelmäßig, um vielleicht mal wieder etwas auf die Beine zu stellen. Wenn wir neue Lieder schreiben, wird das wohl auch wieder in Deutsch sein, weil es inzwischen so etwas wie unser Markenzeichen geworden ist.

Wie beurteilst du eigentlich aus heutiger Sicht deine damaligen Texte. Manches wirkt mitunter doch recht naiv, oder?
Nein, das mußt du anders sehen. Ich wußte, was ich den Leuten anbieten konnte und ich habe immer versucht, etwas zu machen, was zum Heavy Metal paßte und was die Leute auch begreifen konnten, die zu den Konzerten kamen. Und das war manchmal gar nicht so einfach.

Sehr oft ging es in euren Songs von damals um das reine Lebensgefühl des Heavy Metal.
Bei Worten wie Monster oder Lemmy aus dem Stück "Der Edelrocker" mußte man schon sehr aufpassen, daß es keinen Ärger gab. Wir alle wußten natürlich wer Lemmy war, aber der Staat nicht. Die wußten mit so etwas nix anzufangen, also wurde es auch genehmigt. Das war schon nicht einfach. Oder das die Texte generell durchgekommen sind. Bei der Musik ging das ja noch, aber die Texte ... Also wenn du diese verkalkten Typen damals gesehen hättest. Einer von denen, der damals unsere Titel genehmigen mußte, macht heute in einem Altenheim Musik mit einem Akkordeon für die dortigen Senioren. Solche Leute haben früher über die Musik der ganzen DDR entschieden, das ist schon bezeichnend.

Was macht ihr eigentlich heute?
Wir gehen alle arbeiten. Der Wolle macht P.A.-Verleih und fährt Zeitungen aus, der Michael hat gerade seinen Meister im Gas/Wasser/Sanitär-Wesen gemacht, der Dell ist beim Senat, der Schlagzeuger ist Geschäftsführer einer Catering-Firma und ich arbeite bei Siemens...

(Es folgte eine längere Diskussion über die Verschlechterung des Kundendienstes bei Telefonanlagen von Siemens, die aber nicht hierhin gehört.) Hast du eigentlich noch nie darüber nachgedacht, eure alten Original-Rundfunk-Aufnahmen auf einer CD zu veröffentlichen?
Puh, da habe ich mir noch gar keine Gedanken drüber gemacht. Teilweise ist das schon lustig. Vielleicht wenn wir mal ein paar neue Sachen haben? Da könnten wir die alten Sachen als Zugabe mit drauf packen ...

Okay, zum Abschluß dann noch eine lustige Geschichte ...
Einmal sollten wir einen großen Auftritt im Berlin spielen. Während der Planung bekamen wir es unter anderem aber strikt untersagt, Pyros oder ähnliches an diesem Abend zu benutzen. Außerdem durften wir nicht so laut wie gewohnt spielen. Als wir dann angefangen haben zu spielen, war es denen natürlich wieder viel zu laut und nach fünf Songs kamen Leute auf die Bühne, die unseren Gig abbrechen wollten. Genau in diesem Moment, zündete einer unserer intelligenten Roadies dann auch noch die Pyros, obwohl ich ihm vorher gesagt hatte, daß solle er bleiben lassen. Da gingen die Pyros also hoch und ein paar Sekunden später fing die Bühne an zu brennen. Das war vielleicht ein Riesenzirkus gewesen, weil am nächsten Tag sollte Erich Honecker genau auf dieser Bühne eine Rede halten ... Ich kann dir sagen, das ging wirklich ab an diesem Abend!

Update Oktober 2001: So wie ich es von einem alten Fan der Band neulich gehört habe, versuchten FORMEL 1 nochmal im Osten ein wenig Fuß zu fassen, stießn dabei dann aber auf so wenig Interesse seitens der Fans, daß man die Band jetzt wohl endgültig begraben hat. Schade drum! (lest dazu auch den Konzert-Review vom 18.03.2000 auf der folgenden Seite, Hendrik)

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