"Heavy Against AIDS" - Fanzine "Loud 'n' Proud" (1990)Auch im Jahre 1990 sollte mit der Tradition, Heavy-Metal-Festivals zu Gunsten eines wohltätigen Zweckes durchzuführen, nicht gebrochen werden. Wie im Vorjahr bei "HM für UNICEF", war auch in diesem Jahr das Jugendklubhaus in der Ost-Berliner Langhansstraße Austragungsort für ein derartiges Happening. Die Idee sowie die letztendlich in diesem Sinne getroffenen Vereinbarungen waren denkbar einfach: An zwei Tagen treten insgesamt 13 HM-Bands aus beiden deutschen Staaten ohne Gage auf; der dabei aus den Eintrittskarten erzielte Erlös sollte an die AIDS-Hilfe der DDR abgeführt werden. Letzteres allerdings unter der Bedingung, daß das Jugendklubhaus Langhansstraße zwei Automaten erhält, aus denen jeder Bedürftige und Interessent im Falle eines abzusehenden harmonischen Abschlußes des Abends in Zwei- oder gar Mehrsamkeit vor allem äusserst diskret ein gewisses Schutzmittel vor einer auch bei uns durchaus möglichen HIV-Infektion entnehmen kann.Zu diesem Metal-Spektakel wurden natürlich außer den Freaks der harten Klänge auch noch Medien aus dem In- und Ausland eingeladen. Im Endeffekt musste jedoch nicht nur der Veranstalter fassungslos feststellen, daß zwar Vertreter von 15 verschiedenen Gazetten und Radio-Stationen anwesend waren, aber sich lediglich zwei (Noch einmal in Worten: ZWEI) einheimische Medien dazu herabließen, Interesse an diesem Ereignis zu bekunden, wobei wir einmal den LOUD 'N' PROUD und seine Vertreter als noch nicht etabliertes Fanzine aus dieser Rechnung ausklammern wollen. Die beiden Ausnahmefälle waren die Teams von ELF 99 und vom Jugendradio der DDR. Warum aber auch sollte zum Beispiel die "Melodie & Rhythmus" als angebliche Nr.1 unter den Musikzeitschriften dieser (noch bestehenden) Republik hier und an diesem Wochenende ihre Aufwartung machen, wenn sich sogar schon der METAL HAMMER dazu herablässt, über "Heavy Metal - Made in G.D.R." ausführlich zu berichten? Metal hin - Wende her... Einige Hardliner unter den DDR-eigenen Medienfürsten scheinen nichts von den Ereignissen des letzten halben Jahres mitbekommen zu haben und dürften wohl immer noch nicht gecheckt haben, wie die Interessen unter einem beträchtlichen Teil der Jugendlichen der DDR verteilt sind. Ganz abgesehen davon, dass es darum ging, etwas für eine gute Sache zu bewegen. Doch kommen wir endlich zum Geschehen auf der Bühne. Der erste Tag stand ganz im Zeichen des Thrashs. Doch neben solchen Bands wie POWERAGE, SIXTUS, HARDHOLZ und BIEST wurden aus unerklärlichen Gründen die beiden West-Berliner Bands TX BARRET und YORBA LINDA in das Programm mit aufgenommen. Einmal davon abgesehen, daß YORBA LINDA sowieso keine großen Bäume auszureissen in der Lage waren, kann man das Billing dieser beiden Bands an diesem Abend nur als eine klassische Fehlleistung oder bestenfalls organisatorisches Mißgeschick interpretieren. Denn was haben mehr konventionelle Rock 'n' Roller inmitten dieses Kreises eher speedig und thrashig veranlagter Bands zu suchen? Die positive Überraschung des Abends kam aus dem Thüringer Walde. HARDHOLZ boten eine erstaunlich professionelle Vorstellung, bei der jedem der fünf Jungs auf der Bühne anzumerken war, dass ihre Version des stark MAIDEN- und METALLICA-beeinflussten Metals 100%ig aus dem Herzen kommt. Der zweite Tag war mehr dem straighten Metal vorbehalten: MARYLINN (Berlin-West), BORN (DDR), MOTHER'S LITTLE NIGHTMARE (ebenfalls Berlin-West), MEPHISTO, HEADLESS, MERLIN (alle DDR) und AMAZONE (BRD) standen auf dem Programm. Publikumslieblinge waren hier zweifellos "Mutters kleiner Alptraum" - alleine schon der Anblick der völlig in Leder und Jeans gekleideten "Bike 'n' Roller", die mit ihren Tattoos selbst einen Nikki Sixx blass aussehen lassen, hätten unseren Müttern noch Wochen später zu einem extrem unruhigen Schlaferlebnis verholfen. Rein musikalisch hingegen brachten die vier Biker dabei mit ihrer "Easy come, sleazy go"-Mentalität den Saal zum Kochen. Erschreckend war dann die Erkenntnis, daß das Berliner Publikum wohl nicht gerade halbwegs in guter konditioneller Verfassung ist. Wie sonst sollte man erklären, dass bereits ab 23.00 Uhr die große Fluchtwelle einsetzte und AMAZONE ab 02.00 Uhr vor vielleicht noch 60 Gästen spielten??? Ein derart mattes Publikum hätte ich von einer jahrelang bevorzugt mit Südfrüchten hochgepäppelten Millionenstadt nie und nimmer erwartet. Angesichts der durchschnittlichen Spieldauer von 35 Minuten pro Band und gleichbleibend schlechter Soundverhältnisse verzichten wir hier auf eine eingehende Beurteilung der Dinge, die die einzelnen Acts zeigten (oder auch nicht zeigten). Wichtig ist ja in diesem Falle sowieso nur, dass etwas GEMEINSAM für einen guten Zweck getan wurde. Der Erlös der verkauften Eintrittskarten kam dann auch vereinbarungsgemäß in den großen Topf. Um genau zu sein, waren es 6.992 Mark der DDR. Weiterhin kamen dann noch 420,36 Mark durch die AIDS-Hilfe, 406,60 gespendete Märker von Carlos-Catering sowie 144,80 Mark durch den Verkaufserlös von Band-Postern hinzu. Das Geld liegt übrigens noch beim Veranstalter unter Verschluss, und zwar so lange, bis die AIDS-Hilfe der DDR gedenkt, "ihren Teil der ausgehandelten Abmachung - nämlich die eingangs so schön umschriebene Installation von zwei Kondom-Automaten in den Toiletten des Jugendklubhauses Langhansstraße zugewährleisten - einzuhalten. Auch wenn es "nur" Rocker sind, die sich da für einen wohltätigen Zweck zusammengefunden haben - gelernt haben auch sie, was es einbringt, in verhängnisvoller Gutgläubigkeit leeren Worten zu Vertrauen zu schenken. Nach dem "Geld her!" sich den langgestreckten Finger zeigen zu lassen, funktioniert heutzutage nicht mehr so einfach. Eigentlich hätte man ferner annehmen müssen, daß die AIDS-Hilfe der DDR an den im Klubhaus zurückgelassenen Aufklärungs- und Informationsmaterialien der bundesrepublikanischen AIDS-Hilfe interessiert gewesen sein müßte, doch das ist anscheinend nicht der Fall. Jedenfalls liegen die nicht an diesem Wochenende an den Mann und die Frau gebrachten Materialien immer noch im Jugendklubhaus Langhansstraße herum - man hat es ja schliesslich. Fazit: Es ist schade, daß gutgemeinten Eigeninitiativen der Jugendlichen immer noch so viel Desinteresse, Unverständnis und Bürokratie entgegengebracht wird. Vielleicht wären die Begleitumstände auch andere, wenn sich einfach nur Popmusiker oder Liedermacher zusammengefunden hätten - doch in diesem Falle waren es wieder einmal nur die ungeliebten Kinder des Heavy Metals, die sich da zusammenfanden, um Bedürftigen zu helfen. (von Andreas Schöwe) "Rocker für die AIDS-Hilfe" - Zeitschrift "Melodie & Rhythmus" (1990)Konzertveranstaltungen von Hardrock- und Heavy-Metal-Bands für gemeinnützige Zwecke haben im Berliner Jugendklubhaus in der Weißenseer Langhansstraße schon einige Zeit Tradition. War dort seit zwei Jahren z. B. "Heavy Metal for UNICEF" angesagt, so stand das diesjährige zweitägige Festival unter dem Motto "Rocker für die AIDS-Hilfe".Am 2. und 3. Februar gaben sich insgesamt dreizehn Bands aus dem Bereich des harten Rock die Ehre: Power Age, Sixtus, Hardholz, Biest, B.O.R.N., Mephisto, Merlin, Headless und Babylon aus der DDR, darüber hinaus aber auch erstmals Gruppen aus der Bundesrepublik und Berlin-West wie Mother's Little Nightmare, Yorba Linda, Marilynn und Amazone. Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren benötigte diese Veranstaltung mit Sicherheit größeren konzeptionellen und organisatorischen Aufwand. Mitarbeiter des West-Berliner AIDS-Beratungszentrums errichteten in Zusammenarbeit mit Kollegen aus der DDR einen Stand, an dem Broschüren und Informationsmaterialien über AIDS (für einige unerwartet) großen Absatz fanden; viele Besucher nutzten an beiden Abenden auch die Chance zum persönlichen Gespräch mit AIDS-Betroffenen aus Ost und West. In puncto Musik konnte sich das zahlreich erschienene Publikum ein halbwegs repräsentatives Bild vom derzeitigen Entwicklungsstand der nationalen Heavy-Szene machen, auch im direkten Vergleich zu den westlichen Konkurrenten. Hauptsächlich durch Abkehr von der Praxis des Nachspielens internationaler Erfolgstitel hin zu musikalischer Eigenständigkeit und Originalität, kann die nationale Heavy-Szene in letzter Zeit eine spürbare Qualitätsverbesserung aufweisen. Diesen Eindruck konnten vor allem die Auftritte von B.O.R.N., Sixtus, Merlin und Biest bestätigen. Die euphorischsten Publikumsreaktionen erntete jedoch zweifellos das West-Berliner Quartett Mother's Little Nightmare, das mit seinem bodenständigen, dreckig-rauhen Hardrock den Nerv der Fans wohl am besten traf. Apropos Publikum: dieses hatte mit dem Durchhalten so seine Probleme. Sechs oder sieben Bands an einem Abend strapazierten die Aufnahmefähigkeit und Tanzkondition der Anwesenden zusehends, was eine mit der Zeit immer stärkere Abwanderung nach sich zog. Dies war überwiegend am zweiten Abend zu bemerken, als die letzte Band Amazone trotz einer sehr guten Show es kaum noch schaffte, den recht kleinen Rest hartgesottener Fans noch einmal aus der Reserve zu locken. Sicherlich notwendige Umbaupausen zwischen den einzelnen Auftritten taten ein übriges. Positiv: der deutlich bessere Sound und die nunmehr genügende Lichtanlage. Trotz einiger konzeptioneller Unzulänglichkeiten wurden den Heavy-Fans zwei sicherlich nicht alltägliche Abende geboten. (von Jens Molle) |