"Heavy Metal international" - Zeitschrift "Profil - Methodik zur Tanzmusik" (1987)Fragst Du zehn Metal-Fans, welche denn nun die Heavy Metal-Band ist, erhältst Du garantiert zehn unterschiedliche Antworten. Einerseits sind Geschmäcker bekanntlich heterogen, andererseits vereint der große Oberbegriff Heavy Metal mittlerweile die verschiedensten Stilarten. Die "feinen" Unterschiede zwischen Black, Speed oder Thrash Metal sind oft nur von den wirklichen Kennern aufspürbar. Freilich ist es ganz und gar unmöglich, Bands wie EUROPE und SLAYER in einen Topf zu werfen. Und doch werden sie beide von ihren Plattenfirmen als Heavy Metal angepriesen. Letztlich haben sie die gleichen Vorfahren. Mehr als 20 Jahre liegen zwischen dem ersten anerkannten Heavy Metal-Song und den neueren Vertretern dieser Stilistik der popuären Musik.Vom Riff und hartem Rock Betrachten wir zuerst die Musik des Heavy Metal etwas näher. In der sogenannten Diskomusik spielt das Schlagzeug, im Reggae der Bass und im Blues die Melodiegitarre die dominante Rolle. Im Heavy heißt eine tragende Komponente: Riff. Diese melodisch-rhythmische Technik, die durch die ständige Wiederholung einer, zwei- oder viertaktigen Melodiefigur durch die Rhythmusgitarre gekennzeichnet ist, wird in jedem Heavy-Titel angewandt und bestimmt dessen musikalischen Aufbau, also die Führung der Gesangsstimme und das Spiel der anderen Rhythmusinstrumente. Auch die Melodiegitarre ordnet sich weitestgehend dem Riff unter und darf nur gelegentlich bei einem Chorus solistisch "ausscheren". Als das Ur-Riff des Heavy Metal wird das des KINKS-Song "You ReallY Got Me" bezeichnet. Dieses von Ray Davis 1964 kreierte Stück übrigens der Nummer "Louie Louie" von den KINKSMEN nachempfunden - ist der erste Heavy-Titel, dessen simple Grundform später von vielen Musikern übernommen wurde. Harte Gitarrenriffs verwendeten auch die YARDBIRDS, THE WHO, THE ROLLING STONES und THE BEATLES. All diese Gruppen sind natürlich keine Heavy-Bands obwohl viele ihrer Titel Gemeinsamkeiten mit denen der Schwermetaller aufweisen (vordergründiges Durchschlagen des 4/4-Beats, formale Anlehnung an die Bluesformel). Allerdings erst der spezifische, kraftvolle Sound gepaart mit hoher Lautstärke macht den Heavy Metal zu dem, was er ist. Und das schließt übertrieben verzerrte Gitarren bzw. eine obertonreiche Aussteuerung der Songs ein. Was heute mit Effektgeräten im Format einer Zigarrenkiste möglich ist, bedurfte Anfang der 70er Jahre eines großen Röhrenverstarkers, dessen Eingang übersteuert wurde. Es gibt jedoch noch Gitarristen, die auf den speziellen Klang dieser alten Geräte schwören... Zu Beginn der 70er Jahre erzielten mehrere Hard Rock-Bands mit ihrer Musik enorme Erfolge - LED ZEPPELIN, GRAND FUNK RAILROAD und BLACK SABBATH z.B. Doch die anfangs durchaus vorhandene Freude am Improvisieren verlor sich sehr bald in der Gigantomanie des Äußeren, die sogar die riesigen Festivals der 60er Jahre übertraf. Der Wettlauf um höhere Wattzahlen und vollere Sääle ließ die Kreativität der Musiker in den Hintergrund treten. Schon nach relativ kurzer Zeit fühlten sich die Fans von all den Superlativen übersättigt, da sie dem einzelnen Plattenkäufer bzw. Konzertbesucher kein größeres Vergnügen bereiteten. Auf der Suche nach erfreulicheren Erlebnissen fand die Anhängerschar neue Gruppen. Sie standen ihnen nicht nur altersmäßig näher, sondern waren ungewillt, sich in den Jet-Set-Rummel einzuklinken. Und eigentlich wurde erst jetzt Mitte der 70er Jahre der Begriff Heavy Metal zutreffend. Schließlich war das bisher als Hard Rock Bekannte zwar hart und laut, klang aber eher wie ein verzierter Holzhammer als eine schmiedeeiserne Dampframme. Die jüngeren Bands verbannten zuerst das Solo aus ihren Konzepten. Den Gitarristen war lediglich erlaubt, hin und wieder einen Chorus hören zu lassen aber kurz mußte er sein und er durfte den Lauf des Rhythmus nicht unterbrechen. Die Virtuosität einzelner Musiker, die z. B. bei LED ZEPPELIN oder DEEP PURPLE gefragt war, galt bei den Heavy Metal-Bands nichts. Man ordnete sich dem Kollektiv unter, das, vom Sänger geführt in die Schlacht mit den Fans ging. Die zum Teil behäbigen Hard Rock-Songs wurden durch wesentlich temporeichere Metal-Nummern abgelöst. Als einer der Schnellsten wurde der inzwischen altgediente Lemmy von MOTÖRHEAD bekannt, der mit seinen Leuten schon damals etwas vom heute modernen Speed Metal ahnen ließ. Der Punk, der Ende der 70er Jahre in Großbritannien um sich griff, beeinflußte auch den Metal-Bereich nachhaltig. Viele junge Leute faßten Mut, selbst zum Instrument zu greifen, zumal jene Musik nicht unbedingt eine fundierte Ausbildung erforderte. Kein Wunder, daß gerade in England zwischen 1974 und 1977 zahlreiche Heavy-Bands gegründet wurden u.a. IRON MAIDEN, SAMSON, DEF LEPPARD und JUDAS PRIEST. Nicht alle, die sich 1975 gelangweilt von LED ZEPPELIN abwandten, liefen zu den SEX PISTOLS über. Ein großer Teil traf sich bei Konzerten von JUDAS PRIEST und MOTÖRHEAD wieder. Anfang der 80er Jahre war die Fangemeinde der HeavY-Fraktion zahlenmäßig so erstarkt, daß diese Musik für die Plattenfirmen der internationalen Konzerne ein verläßliches Geschäft versprach. Wer nicht bereits einige erfolgreiche Gruppen vertraglich gebunden hatte, mußte zusehen, daß er den Anschluß nicht verpaßte. In fast allen Ländern Westeuropas, den USA und Kanada zeitigte der deftige Heavy-Boom seine Folgen. Das Gespür der Verkaufsagenten des Schallplattengeschäfts brachte die Erkenntnis, daß mit einer Veränderung des Soundbildes die Heavy Metal-Grundkonzeption breiteren Käuferschichten, vor allem jüngeren Hörern, näherzubringen ist. Dieser Aufgabe schenkte man viel Enthusiasmus logischerweise im Interesse des Absatzes. Eine Reihe neuer Bands, die einen nicht allzu brutalen Sound bevorzugten, erhielten ihre Chance. Die bewährten alten Gruppen weichten ihre Produktionen mit Synthesizern und anderen Raffinessen auf. Als Beispiele seien JUDAS PRIEST und LEE AARON genannt. Auf der anderen Seite ist in der Entwicklung eine Radikalisierung der musikalischen Mittel nicht übersehbar. Es ist natürlich, daß die etablierten Musiker nicht mehr von allen Rezipienten, am wenigsten von den nachwachsenden Fans, akzeptiert werden. Diese suchen sich als Idole entweder Gleichaltrige oder solche, deren Lebenshaltung der ihren entspricht. Das Bedürfnis, immer schneller und aggressiver zu spielen, hatte sich ja schon beim ersten Umbruch Mitte der 70er Jahre gezeigt. Derzeit ist den harten unter den Heavy-Fans auch MOTÖRHEAD nicht mehr kernig genug. Das, was jetzt Speed Metal heißt, hat kaum noch mit der Musik vor 20 Jahren zu tun. Die Riffs sind zwar noch da, sind aber nur äußerst schwer als solche wahrnehmbar. Beim sogenannten Thrash Metal wird die Gitarre so "gedroschen", daß kaum ein Akkordwechsel hörbar ist. Der Windmühlen-Stil eines PETE TOWNSHEND ist für derartige Musik wohl nicht mehr geeignet. Wer sich etwas intensiver mit Punk befaßt hat, wird Ähnlichkeiten erkennen. Hochgeschwindigkeits-Gitarren und Maschinengewehr-Trommeln finden wir bei den Hardcore-Bands ebenso wie bei den Speed und Thrash Metallern. Übrigens tauchte der Begriff "Thrash" zuerst im Zusammenhang mit Punk auf. Kein Zufall, daß viele ehemalige Punk-Fans zum Heavy Metal abwanderten. Darauf stellten sich natürlich die Bands ein, indem sie mehr und mehr extremere Spielweisen bevorzugten. Die aus Kalifornien stammenden Musiker von SLAYER beispielsweise haben sich als frühere Punker vor einigen Jahren dazu entschlossen, dem erfolgversprechenden Heavy Metal zu fröhnen. Doch die sogenannte "Moral Majority" der USA bereitet ihnen nun einige Schwierigkeiten. Das neue Album "Reign In Blood" wurde angesichts der angeblichen "satanischen" Texte angegriffen. Formal unterscheiden sich die drei Extrem-Metal-Stile durch Tempo und Grundstimmung. Will sagen: Speed Metal ist sehr schnell, Thrash Metal zeichnet sich durch das scheinbar willkürliche Schlagen auf Saiten und Trommelfelle aus. Und Black Metal stellt die mystische Fraktion unter den dreien dar; die Musiker wälzen sich finster und präsentieren sich mit basslastigern Sound. Melodien sind bei all diesen Formen zeitgenössischer Heavy Metal-Musik nicht gefragt. Von schwarzen Messern und Kopfhackern Heavy Metal läßt sich in drei große thematische Gruppen einteilen: - Die Welt ist geheimnisvoll. - Die Welt ist Musik, Sex und Spaß. - Die Welt ist schlecht. Beginnen wir mit der letzten Rubrik: Es wäre leicht, sie hier zu verschweigen, Wohl würde ich mich keinesfalls dabei fühlen. Heavy Metal ist durch seine Härte angetan, Aggressionen hervorzurufen oder diese abzureagieren. Es gibt Gruppen, die das bewußt mißbrauchen, um faschistoides Gedankengut zu verbreiten. Meist sprechen bereits Bandnamen oder einzelne Songtitel für sich. Gruppen wie BLUT UND EISEN oder ein Stück wie "Pleasure To Kill" ("Spaß zu töten") seien als Beispiel angeführt. Es reicht nicht, die n damit verbundenen Weltanschauungen als Entgleisungen oder als geschmacklos abzutun. Ob Fan oder Musikant - eine differenzierte Betrachtungsweise der Aussage jedes Titels ist notwendig. Oftmals behaupten Heavy-Musiker, daß Brutalität fördernde Inhalte Parodiecharakter tragen. Hier gilt der Grundsatz, daß eine Parodie, die in der Machart nicht vom zu parodierenden Gegenstand unterschieden werden kann, eine schlechte ist. Ähnliches ist von bösen Hexen und stolzen Rittern zur Kategorie "Mystik" zu sagen. Heavy Metal-Texte verleiten sicher zu aufsteigendem Nebel oder diversen in den Himmel geschleudertem Magnesiumblitzen. Das Eddi-Monster von IRON MAIDEN und anderes gigantische Heavy-Gestalten sind Ventile dieser Phantasien, die sicher freundlicher als die zuvor geschilderten Haltungen sind, aber wohl nur eine andere Form der Gewaltverherrlichung darstellen. Damit Ohr und Auge in Ekstase geraten, wird schon mal einem Drachen das Haupt abgeschlagen, auf das Blut spritze. Der heutige Fan, der im Konzert richtig "abrocken" will, wird sich nicht so sehr mit derart moralischen Bedenken herumplagen. Er will seine Alltagssorgen aus dem Kopf schütteln, will im Kollektiv seinen Frust herausschreien. Das taten bereits Rockgenerationen vor ihm. Natürlich ist zwischen den rollenden Schädeln in einer ALICE COOPER-Show und dem Rockkonzert der SCORPIONS zu unterscheiden. Womit wir bei der letzten thematischen Gruppe wären: Musik, Sex und Spaß. Die Mehrheit der Heavy-Bands spielt ihre Musik der Unterhaltung, der Freude wegen. Und schließlich genügt das der Masse der Heavy-Fans. In letzter Zeit setzt sich bei Livedarbietungen wieder mehr die reine Rockshow durch. Viele Metal-Musiker befassen sich mit politischen Themen. Auch SAXON will nicht mehr alte KÖnige und Helden besingen, sondern das reale Leben der Leute vor der Bühne allerdings nicht die Politik. ACCEPT legt die negativen Seiten des Fernsehens ("T.V. War") bloß und GARY MOORE beschäftigt sich mit dem Bürgerkrieg in Nordirland ("Wild Frontier"). Es ist der Rock'n'Roll, der ürsprünglich alles inspirierte. Und Rock'n'Roll sollte helfen, daß die Welt der Kinder besser als die der Eltern wird. (Fortsetzung auf der nächsten Seite) |