Zeitungs-Ausschnitte: Allgemeines (4)

"Heavy Metal international" - Zeitschrift "Profil - Methodik zur Tanzmusik" (1987)

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Im Folgenden möchte ich zwei Gruppen kurz porträtieren um die Entwicklung einer "normalen" Heavy-Band zu verdeutlichen.

SAXON

1977 entstand aus den Gruppen COAST und SOB die Band SON OF A BITCH. Paul Quinn (g, voc), Graham Oliver (g), Steve Dawson (bg) und Peter Biford (voc) gehörten zu ihr. Durch eine Zeitungsanzeige fanden sie ihren Drummer Peter Gill, der bereits Erfahrungen bei GARY GLITTER gesammelt hatte. Die Musiker aus Newcastle nahmen 1979 ihre erste Platte auf, die unter dem Bandnamen SAXON veröffentlicht wurde. Das Quintett gehört zu den Metal-Gruppen, die sich in England erfolgreich gegen die damals herrschende New Wave-Euphorie durchsetzten. Ihr gerader und schnörkelloser Rock anvancierte zur internationalen Liveattraktion im Heavy-Bereich. 1981 verletzte sich der Drummer Peter Gill an der Hand und mußte durch Nigel Glockner ersetzt werden, der vordem bei der New Wave-Band THE ASSOCIATES gespielt hatte.
Anfangs beschäftigten sich die Songs von SAXON mit geschichtlichen Ereignissen, u.a. dem Mord an John F. Kennedy ("Dallas 1 PM"). Das Livealbum "The Eagle Has Landed" (1982) war ein gelungenes Zeugnis der SAXON-Konzerte - der bislang größte kommerzielle Erfolg.
Durch die Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Produzenten Jeff Glixman veränderte sich die Stilistik der Gruppe stark in Richtung Ballade. Akustische Gitarren und Streicher tauchten auf, wo früher die harten 6-Saiter dominierten.
Auf der LP "Power And The Glory" (1982) und der von Kevin Beamish produzierten Platte "Crusader" (1984) stranden eher alte Ritter und Schlachten als die Realität im Vordergrund. Mit ihrer 1986 veröffentlichten LP "Rock The Nations" gelangten die fünf Engländer wieder zur Direktheit ihrer Anfangsjahre zurück, was ihnen die Fans mit entsprechenden Plattenkäufen dankten.

MOTÖRHEAD

"Can You u Lemmy a Penny?" Nein, ich will niemanden anpumpen. Dieser Satz ist Ursprung des Spitznamens des Mannes, der eine der härtesten und lautesten Heavy-Bands der Welt gründete. Der 1937 geborene Ian Killmister begann in Gruppen wie ROCKIN' VICAR und SAM GOPAL und kann die Zeit als Roadie bei Jimi Hendrix als Höhepunkt seiner Vor-MOTÖRHEAD-Karriere bezeichnen. Was er dort lernte, brachte er u.a. in seine zweijährige Tätigkeit als Bassist bei HAWKWIND ein.
1975 wurde MOTÖRHEAD ins Leben gerufen. Von Anfang an ging es wie in einer Bruderschaft hartgesottener Saufkumpane zu. Man war sich lange nicht einig, wer der Boß sein sollte. Als das endlich fentstand, hatte Lemmy bereits zwei neue Mitspieler. Die Urbesetzung, zu der außer dem singenden Bassmann Lucas Fox (dr) und Larry Willis (g) zählten, nahm die LP "On People" auf. Der zweite Drummer, Phil Taylor, spielte nachträglich alle Schlagzeug-Tracks ein zweites Mal ein, weil Lemmy meinte, er könne das besser. Die LP erschien erst 1980, also fünf Jahre nach ihrer Produktion. Lemmy, Taylor und der neue Gitarrist Eddie Clarke produzierten ihre erste Single bei Stiff Records: "Leavin' Here" (1977). Die LP "Motörhead" kam 1978 bei einer anderen Firma heraus. Nach neuerlichem Wechsel ihrer Vertragspartner erarbeiteten die drei unter der Regie des Produzenten Jimmy Miller - mit ihm erreichten sie die extrem harte Klasse, die fortan das Markenzeichen der Band werden sollte - das Album "Overkill". Die Musik des Trios diente nicht zuletzt als Zuflucht für viele enttäuschte Punk-Fans die sich von den neugewellten alten Idolen abwandten. Die recht brutal anmutende Kompromißlosigkeit wurde von Lemmys Band über Jahre konsequent durchgezogen.
1982 vollzog sich eine weitere Personenauswechslung: Clarke wurde gegen Brian Robertson getauscht, der ein gutes Jahr später wieder flog. Auch Taylor verließ 1983 die Gruppe, so daß Lemmy völlig neu besetzen mußte. Der ehemalige SAXON-Drummer Peter Gill, ein gewisser Corporal Wurzel, und Phil Campbell wurden die künftigen Mitstreiter. 1986 legte die zum Quartett aufgestockte Band eine von Bill Laswell produzierte LP vor, die einer großen Anzahl von MOTÖRHEAD-Anhängern keinesfalls gefiel. Die modernen Soundvorstellungen von Laswell entsprachen denen der stählernen Fangemeinde nicht so sehr. übriqens "kochten" die MOTÖRHEAD-Musiker nicht nur am eigenen "Süppchen". Lemmy stellte 1982 eine Single mit dem Titel "Stand By Your Man" vor. Als Duett-Partnerin fungierte die Sängerin der PLASMATICS Wendy 0. Williams.
Weit bekannter wird die Zusammenarbeit der eisernen Herren mit der Frauenband GIRLSCHOOL sein, die zwei Platten einbrachte. Außerdem war für den Aufbau der internationalen Karriere die Mentorenschaft der gestandenen Heavy-Band über die vier Frauen von GIRLSCHOOL von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Megaforce und andere

An der MOTÖRHEAD-Story ist vor allem eines interessant, das auch bei der Entwicklung einer Reihe weiterer Heavy Metal-Bands auffällt. Lemmys Gruppe veröffentlichte ihre ersten Schallplatten bei unabhängigen Labels, bei Stiff und Chiswick.
Einige unabhängige Firmen haben sich auf die Produktion und den Vertrieb von Heavy Metal spezialisiert - z.B. Mousoleom Records aus den Niederlanden und Noise Records aus Westberlin. Das ist vÖllig normal, denn die großen Konzerne wollen natürlich nicht mit jeder Metal-Band zusammenarbeiten. Für diese sind nur international erfolgreiche Gruppen von Interesse, deren Aufnahmen sich in den erforderlichen Mengen umsetzen lassen. Das bedeutet wiederum nicht, daß die Bands, die bei unabhängigen Labels ihren Weg beginnen, eines Tages nicht zu den "Großen" überwechseln.
Ein Beispiel: Anfang 1982 eröffnete der ehemalige Börsenmakler Johnny Zazula gemeinsam mit seiner Frau in New York einen Laden, in dem fast ausschließlich Heavy Metal zu kaufen war. Die beiden importierten hauptsächlich Platten englischer Metal-Bands die zu dieser Zeit auch in den USA ihre Fans hatten. Schon bald war genug Geld beisammen, um neue Projekte planen zu können. Folgerichtig wurde über den Auftritt der einen oder anderen Band in Verbindung mit ihrem Geschäft nachgedacht. Das erste Konzert, das das Ehepaar Zazula organisierte, bestritt die kanadische Gruppe ANVIL. Es folgten Bands wie VENOM, RAVEN und die RODS. 1983 begann die Zusammenarbeit mit einer bis dahin völlig unbekannten Gruppe aus Kalifornien: METALLICA. Die Zazulas waren von ihr so überzeugt, daß sie am 1. April 1983 eigens, um eine METALLICA-LP produzieren zu können - ihre Plattenfirma Megaforce Records gründeten. Die "Kill 'Em All"-LP von METALLICA gilt noch heute als das klassische Speed Metal-Album. Kurz darauf nahm Megaforce die Bands RAVEN, EXCITER, ANTHRAX u.a. unter Vertrag.
Inzwischen verließ METALLICA das Label in Richtung Konzerne. Aber der Erfolg machte Megaforce so stabil, daß sich der Verlust sehr wohl verschmerzen läßt. Johnny Zazula kann sich jetzt einen Jugendtraum erfüllen: Die Altrocker von BLUE CHEER können bei Megaforce erscheinen.

Versuche eines Fazits

Die Veränderungen im Heavy Metal-Bereich sind, im Zusammenhang mit der Entwicklung in der populären Musik insgesamt betrachtet, durchaus normal. Auf der einen Seite wird Heavy Metal für eine breite Publikumsschicht "ertragbar" gemacht. Im Gegensatz dazu radikalisieren einige Musiker bestimmte Soundkonzeptionen um für eine zwar relativ kleine, aber künstlerisch wirkungsvollere Gruppe von Bands den Grundstock eines Profilierungsprozesses zu legen.

Eine Prognose, was in der nächsten Zeit wohin tendiert, kann ich selbstverständlich nicht geben. Es ist jedoch zu vermuten, daß die verhältnismäßig neuen Formen also Speed, Black und Thrash Metal in naher Zukunft noch beliebter werden. Die Fans, die sich ich von ihren bisherigen Idolen enttäuscht fühlen, weil sich diese aus kommerziellen Gründen "aufweichen" ließen, laufen bestimmt zu den radikaleren Vertretern im Heavy Metal über.
Für mich bleibt zu wünschen, daß der musikalische Prozeß und das positive Anliegen, das Rockmusik immer beinhaltete, nicht durch nihilistische Ersatzideologien ins Hintertreffen gerät. Jeder Metal-Fan sollte nicht versäumen, gelegentlich darauf zu achten, was ihm der Heavy-Star zu sagen hat. (von Lutz Schramm)
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