Zeitungs-Ausschnitte: Babylon (1)

"BABYLON" - Zeitschrift "Melodie & Rhythmus" (1977)

Unter den ca. 5000 Amateurbands der DDR nun zu den besten zu gehören, war gewiss kein einfacher Weg. Das es die fünf "Babylonier" aus Berlin-Mitte geschafft haben, ist in erster Linie der Ernsthaftigkeit zuzuschreiben, mit der sie sich ihrer Musik widmen; und das erst seit April '75, als sich Dieter Wiesjahn (Bass), Bernd Bangel (Gitarre, Gesang) und Victor Heyse (Gitarre, Gesang) entschlossen, beim Peter Holten Sextett auszusteigen, und eine eigene Band zu gründen. Entscheidend war für sie dabei die Durchsetzung ihrer eigenen musikalischen Vorstellungen, die zu einer liedhaften Richtung der Rockmusik tendieren. Als Verbündete kamen schließlich noch Manfred Hennig (E-Piano, Orgel) und Wolfgang Fuchs (Schlagzeug) hinzu; mit ihnen auch zusätzliche musikalische Ideen.
Zum Neubeginn der Gruppe Babylon gehörte auch die intensive Zusammenarbeit mit dem Berliner Haus für Kulturarbeit, an das sich die fünf Musiker mit der Bitte um Unterstützung wandten. Bereits im September '75 konnte ein Förderungsvertrag abgeschlossen werden. Wolfgang Friedrich, kulturpolitisch- künstlerischer Mitarbeiter, wollte damit ein Modell für die Förderung auf bezirklicher Ebene im Amateurbereich schaffen. Und das ist ihm auch mit Hilfe des Gitarristen Fred Baumert vom Günther-Fischer-Quintett als musikalischer Betreuer gelungen. Beweise dafür gibt es genug. Schon im November '75 gelang es Babylon beim Ausscheid der Berliner Amateurgruppen, sich für den 7. Zentralen Leistungsvergleich in Aue 1976 zu qualifizieren. Dort erhielt die Band den Titel "Hervorragendes Amateurtanzorchester der DDR" und eine Fahrkarte zu den Arbeiterfestspielen. Das ihr dortiges Auftreten mit einer Goldmedaille ausgezeichnet wurde, gehört zu den größten Erfolgen der Gruppe.
Ein weiterer Höhepunkt war die Teilnahme an der III. FDJ Werkstattwoche der Jugendtanzmusik in Suhl. Inzwischen sind die ersten Rundfunkproduktionen entstanden. Typisch für die Titel von Babylon sind der zweistimmige Gesang und die Melodiepassagen der beiden Gitarren. In diese Richtung gehören "Gestern kamst du", "Ich singe gerne Lieder" und "Jeder Abend". Aber auch härtere Sachen, wie z.B. die "Tshigiten Legende", hat Babylon anzubieten; besonders originell ist hier die Verwendung eines orientalisch anmutenden Themas. Das ihre Erfolge auf eine fundierte musikalische Ausbildung zurückzuführen sind, liegt auf der Hand. Und die erhielten sie - wie bereits zahlreiche Musiker vor ihnen - an der Musikschule Berlin-Friedrichshain, deren Spezialklasse die Babylon Musiker mit guten Ergebnissen absolvierte. (von Walter Cikan)

"BABYLON - Hard Rock aus Berlin" - Zeitschrift "Melodie & Rhythmus" (1982)

So lautet das Motto, unter das die Band ihre Arbeit stellt, und so kann es das Publikum beim Besuch von Liveveranstaltungen mit BABYLON in der Ansage hören. Nun ist nicht jeder unbedingt eingeschworener Anhänger des Hard Rock, aber Musik und Auftreten der Gruppe erwecken gro�s Interesse, genauer zuzuhören und zu beobachten. Die spürbare und sichtbare Musizierfreude der Jungs verstärkt diesen Eindruck. Bei der persönlichen Bekanntschaft mit ihnen fand ich bestätigt: eine junge Rockgruppe (Durchschnittsalter 25) mit viel Engagement fr ihren Beruf.
BABYLON gibt es bereits seit 1975. Die Gruppe wurde mit dem Titel "Hervorragendes Amateurtanzorchester der DDR" und einer Goldmedaille bei den Arbeiterfestspielen 1976 ausgezeichnet. Es gab Rundfunkproduktionen (z.B. "Dshigitenlegende"), und nicht zuletzt wurden die Musiker für die geleistete Arbeit zu einer Konzerttournee in die UdSSR delegiert. Der jene Zeit bei BABYLON aktiv miterlebt hat, heißt Dieter Wiesjahn. Er ist mit 28 Jahren der älteste Musiker und Leiter der Gruppe. Seinen Beruf, den Bass zu spielen, erlernte er an der Musikschule Berlin-Friedrichshain.
1979 erfolgte eine Umbesetzung der Band und somit ein neuer Anfang. Frank Powileit (19) steht seitdem an der Leadgitarre. Er studiert zur Zeit an der Musikhochschule "Hanns Eisler" in Berlin die Fächer Gitarre und Klavier. Horst Trümpelmann (27) wurde ebenfalls an der Musikhochschule Berlin ausgebildet, er kam als Schlagzeuger in die Gruppe. Hilmar Holz (24) hat die Aufgabe des Leadsängers bernommen. Seine Stimme wurde an der Musikschule Berlin-Friedrichshain geschult. Zur Zeit leistet er seinen Ehrendienst bei der NVA und wird deshalb von Frank Schulze am Mikrofon vertreten. 1981 kam Hans-Christian Weise (27) zu BABYLON. Er spielt die Keyboards, wodurch die Musik im Sound bereichert wird. Christian hat eine vierjährige Kirchenorgel-Ausbildung hinter sich, war drei Jahre an der Musikschule Berlin-Friedrichshain und studiert z.Z. noch an der Musikschule Cottbus.
Zurück zur Musik von BABYLON. Chef Dieter Wiesjahn: "Unsere Musik ist eine rhythmisch betonte Rockmusik. Vor allem beziehen wir die Rhythmik des harten Funkstils in unseren Sound ein. Dadurch wird es eine sehr lebendige Musik, die, glaube ich, den Hörerwartungen vieler Jugendlicher entgegenkommt." Titel wie "Das ist funky", "Lauf zu mir", "Judith", "Sommerglut", "Evi" und auch "Jimi Hendrix" sind erste Ergebnisse auf dem Weg zum eigenen Profil der Gruppe. Die meisten Stücke schreibt Frank Powileit, andere werden im Kollektiv erarbeitet. Die Texte stammen von Franks Vater; er ist Musikwissenschaftler und berät die Gruppe auch in künstlerischen Fragen. Au�rdem ist eine Zusammenarbeit mit dem Texter Werner Karma geplant. Ein Konzertmitschnitt vom Oktober 1981 war unlängst in der Sendereihe "Duett" des Berliner Rundfunks zu hören. Studioproduktionen sind für das zweite Quartal 1982 vorgesehen. (von Roland Müller)

Band-Geschichte von BABYLON bis 1982 - Buch "Rock" von H.P. Hofmann (1983)

BABYLON: DDR-Gruppe; 1975 als Amateurformation in Berlin gegründet; Auszeichnungen: 1. Platz im Bezirksausscheid der Berliner Kapellen, "Hervorragendes Amateur-Tanzorchester der DDR", Goldmedaille bei Arbeiterfestspielen 1976; Funkproduktionen (z. B. "Dshigitenlegende"); Konzerttournee UdSSR; ab 1978 Berufsformation; 1979 Umformierung um Kapellenleiter Dieter Wiesjahn (bg; Musikschule Berlin-Friedrichshain; Gründer von Babylon) nunmehr Frank Powileit (Musikhochschule Berlin, Fächer g, p), Horst Trümpelmann (dr; Musikhochschule Berlin), Hilmar Holz (voc; Musikschule Berlin-Friedrichshain - wird während seiner Armeezeit von Frank Schulze vertreten); 1981 kam Hans Christian Weise (keyb; Musikschulen Berlin-Friedrichshain & Cottbus) hinzu. Dieter Wiesjahn: "Unsere Musik ist eine rhythmisch betonte Rockmusik. Vor allem beziehen wir die Rhythmik des harten Funkstils in unseren Sound ein. Der melodische Aspekt der Musik bleibt im Gesamtprogramm dominant. Text und Musik zielen auf eine aktivierende, realistische Aussage." Eigene Titel: "Das ist funky", "Lauf zu mir", "Judith", "Sommerglut" , "Evi". "Jimi Hendrix". Texte: Bernd Powileit und Werner Karma. Konzertmitschnitt in Sendereihe "Duett" (Berliner Rundfunk).

"Gib Gas und komm" - Zeitschrift "Melodie & Rhythmus" (1983)

Seitdem Dieter Wiesjahn vor nunmehr schon acht Jahren die Berliner Rockband BABYLON gründete, hat er mit ihr so manches Auf und Ab erlebt. Vier Jahre Amateurstatus, was ja stets Doppelbelastung durch normalen Beruf und Hobby bedeutet, ab 1979 dann Aufnahme in die Gilde der Berufsbands, eingehend mit dem nun ungleich stärkeren Zwang, erfolgreich zu sein, Unverwechselbares zu leisten, sich zu profilieren.
Daraus erwuchs 1981 die Notwendigkeit eines Musikerwechsels bei BABYLON, und mit dem sicheren Gespür für die richtigen Leute holte sich Bassgitarrist und Komponist Dieter Wiesjahn, Michael Hein (g), Christian Weise (keyb), Detlef Volquardsen (voc) und Rainer Butschke (dr) zusammen. Michael spielte z.B. bei "Metropol", BABYLONS Stimmungskanone Christian "Krille" drückte einst bei "Regenbogen" die Tasten, Rainer trommelte bei "Jahrgang 49", und der talentierte Sänger Detlef wurde in Potsdam bei einer Kapelle namens "Erna Schmidt" entdeckt. Das Team wird ergänzt durch den Organisator Lothar Heinrich sowie die unentbehrlichen Techniker Gerald Hinneburg (Ton) und Lutz Ewert (Licht).
BABYLON durchlebt, so fühlt Dieter, gerade so was wie den zweiten Frühling, wenn Titel wie "Dsigitische Legende", "Gib Gas und komm" oder "In der S-Bahn" die Hitparadenleitern erklettern. Dieter Wiesjahn ist durch und durch ein Gefühlsmensch. Denn schenkt man ihm Glauben, lenkt ihn bei allem, was er mit und für BABYLON tut, das Gefühl. Und tatsächlich hat man bei Musik und Texten, bei Konzerten mit BABYLON den Eindruck, hier kleiden Leute vor allem Gefühle in Noten und Worte, wollen ausdrücken, ausleben, vermitteln, Widerhall spüren.
Dieters Kompositionen sind melodische Rocktitel, zum Heavy Metal tendierend, einprägsam, fast freundlich zu nennen. Wie schnell sie dadurch Zugang finden beim Publikum, erlebte ich nachhaltig während der BABYLON Konzerte in Ungarn anlässlich des diesjährigen "Kultursommers der FDJ". Durch den kommunikativen Gestus ihrer Musik kam eine Verständigungsbarriere durch die fremde Sprache erst gar nicht auf, zumal sich Sänger Detlef mitunter eifrig im Ungarischen übte.
Detlef und Dieter schreiben gemeinsam die Texte. Aus der Not eines geeigneten Autoren wurde die Tugend geboren, und die Texte stimmen einfach zur Musik, zu den Musikern. In schlichten Worten wird Alltägliches erzählt, vom unvermeidlichen Gedränge "In der S-Bahn", vom Miteinanderfeiern "Gib Gas und komm", von "Evi", einem Mädchen zwischen Kind und Erwachsensein. Geht es um Probleme, wie das der alten Frau Schrullig von nebenan, der die Musik ihres Nachbarn stets zu laut ist, dann wird’s auf BABYLON–Weise behutsam, freundlich-ironisch angefasst. BABYLON ist darauf aus, dass die Zuhörer Spaß haben, Freude an der Musik, Lust am Nachsinnen.
Wann BABYLONS Geheimwaffe – die Bassgitarre mit Strahlern – in der Show eingesetzt wird, wann nicht, Dieter hat das ebenso im Gefühl wie die richtige Lautstärke, sie ist ihnen wichtig, damit der Gesang stets gut zu verstehen ist. Auch wie das Programm geschickt gebaut wird aus internationalem und eigenem Repertoire gibt ihm sein Gefühl ein – so wie vieles andere mehr. Sagt Dieter.
Ich denke, da spielt bei allem eine gehörige Portion seiner Erfahrungen, menschlicher wie musikalischer mit hinein, spielen auch Souveränität und reichlich Verstand und Verständnis eine Rolle, summieren sich Überzeugungen, Wissen, Wollen und viel Können des ganzen gut funktionierenden und harmonisierenden Kollektivs BABYLON. (von Waltraud Heinze)
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