Zeitungs-Ausschnitte: Berluc (1)

Rezension der LP "Reise zu den Sternen" - "Melodie & Rhythmus" (1980)

Dank der Textidee von Sabine Heese wurde aus dem "Hallo Erde, hier ist ALPHA"-Titel ein ganzes Berluc-Programm, ein kosmisches versteht sich. Passend zum Anliegen des Rock-Quintetts auch die Geschwindigkeit des Erscheinens dieser ersten LP. im Herbst 78 landete "Hallo Erde ..." in den vorderen Reihen unserer Wertungssendungen und ein reichliches Jahr später die LP auf unseren Plattentellern. Was mir an Berluc und somit auch an dieser LP gefällt, ist das ungestüme, packende, rockige Musizieren. Da wird nicht groß nach irgendwelchen kompositorischen Mätzchen gesucht, da werden geradezu die elementaren Rock-Elemente wieder hervorgekramt. Dies zum Vorteil von Dietmar Ränker (dr), Alexander Stehr (keyb), Manfred Köhler (voc), Gerd Pöppel (g), Günter Briesenick (bg) und uns Hörern. Denn der "Losgeher" oder die zum Tanzen aktivierende Musik stellen nach wie vor die Minderheit im DDR-Rock-Angebot dar. Gleichsam wohltuend der Verzicht auf Disko-Soundmäßige Anleihen. Tonregisseur Heimar Federowski gelang es, ein stimmiges Klangbild zu realisieren. Trotz des immer noch fehlenden Baßfundaments bei AMIGA, wirkt die Berluc-Produktion kompakt, ist der Gesang - wie es so schön heißt - im Instrumentarium eingebettet. Einige Details: "Hallo Erde, hier ist ALPHA" beginnt, wenn ich mich nicht ganz täusche, mitdem gleichen Count-Down-Geräusch wie vormals Thomas Natschinskis "Kosmos 353". Das sonst zügig durchlaufende "ALPHA-Lied" fängt allerdings im instrumentalen Zwischenspiel etwas an zu "hängen", man hat das Gefühl, das Berluc-Raumschiff hat die Beschleunigung verloren und pegelt sich langsam auf eine stabile, geruhsame Umlaufbahn ein. Mit dem beliebten Synthesizer-Rauschen geht es dann gleich über in "Bleib, Sonne, bleib". Dieser Titel bildet zum ebengenannten einen Kontrast, wobei ein Ausbau der Klangvielfalt diesen verstärkt hätte. Bei solch einem Platten-Gestus dürften meiner Meinung nach schon mal alle außerirdischen Klangphantasien hereinbrechen. Der "Alte(r) Traum" versucht es am Anfang mit einigem Ringmodulator-Blubbern, bis die Rhythmusgitarre die Zielrichtung des Titels genau markiert. Dann löst sich Berluc von dieser Figur und setzt jene bekannte modifizierte Rhythm-&-Blues-Figur ein, und da treten erneut rhythmische Unebenheiten auf. Nach dem schon dreimal praktizierten Prinzip leiten elektronische, hausbackene Klänge zum letzten Titel dieser LP-Seite, "Feuer in der Welt", ein. Nach dem mit chorischen Effekten gestalteteri Beginn zeigt sich Berluc in der musikalischen Ausschmückung der Strophen wieder von feinster Rock-Manier. Selbst auf ein kurzes Trommel-Solo mit einigen Hall- und Phasingzutaten wurde nicht verzichtet. Es füllt nur eine knappe Minute und bleibt so als klanglicher Effekt erhalten.
Seite 2 startet mit "Flügel". Auch hier setzt Gitarrist Gerd Pöppel sofort die Akzente. Doch mit Fortgang des Stückes stellen sich Ähnlichkeiten zu "Hallo Erde ..." ein. Der Mittelteil operiert mit dem gleichen Grundeinfall: Die Hauptzählzeiten werden durch das Schlagzeug gezeichnet, und Pöppel spielt mit sich selbst eine Melodie. Der bekannte "Computer 3, 4, X" macht den Hörer mit einer originellen verfremdeten Gesangsstimme bekannt. Eine Spielerei, die ausgezeichnet auf diese Platte paßt. Nach dem Zusammenbruch des synthetischen Liebhabers, wieder "Klänge aus dem Weltraum", sprich ein kurzes Rauschen usw., Übergang zu "Du bist kein Mensch", ein Titel, der nichts Neues bringt. Betrachtet man ihn als Vorspiel zu "Blaue Stunde", dann ist er klug gewählt, fallen dadurch das Klavier, das Mellotron und der anders registrierte Synthesizer um so mehr auf. Die äußerst sparsame Komposition erfährt durch diese Arrangements-Zutaten eine Aufwertung. Nach diesen 3,30 rauscht's wieder. Eine Flötenimitation und der schon gehabte "Mello-Klang" führen zum, zeitlich gesehen, Hauptwerk: "Reise zu den Sternen". Berluc probiert sich hier an der etwas größeren Form aus. In 6.30 stellen sie noch einmal ihr Repertoire an Klängen vor und enden mit einem Gag: Erst verschwindet der Gesang, die Instrumente gewinnen die Oberhand, bis auch sie einer Blende zum Opfer fallen. Doch dann passiert's: Ein kurzes Radiogezwitscher und noch einmal eine Textzeile aus der "Reise". Ein Schnitt mit der Schere und Schluß. Mir hätte die Ausblenderei allein besser gefallen.
Doch das sind Kleinigkeiten, die meinen Eindruck vom Berluc-Debüt nicht zu trüben vermochten. Sicherlich sind auch die Texte Geschmacksfragen. Kurt Demmler schrieb sechs, Jo Schaffer, Ingeburg Branoner und Sabine Heese je einen vom kosmischen Flair bestimmten. Ob "... zwei Flügel ein schöner Vogel sind", ein Computer tatsächlich nur lieben kann und "... sonst weiter nix", oder "die Stunde zwischen Tag und Nacht alle Menschen sacht macht" und jeder jenen "Drang zu den Sternen" verspürt, mag ich nicht beurteilen und ist wohl auch mehr als Spiel mit des Hörers Phantasie gedacht. Nur, viel "Behaltbares" bleibt da nicht, und Originelles konnt' ich außer im "Computer" auch nicht finden. Gab es doch seinerzeit ein humorigeres "Luftschiff 2000" von Hartmut König.
"Die Reise zu den Sternen" von Berluc zählt für mich zu den kurzweiligsten Platten des Jahres 1979, wenn auch die elektronischen Spielereien sehr eng und uniform angelegt sind und die Portion Experiment zu kurz kam. "... die Chance eines Außenseiters" - was immer auch die oder der Verfasser des Hüllentextes damit meinen - hat Berluc jedenfalls genutzt. Als relativ unbekannte Band präsentiert sie sich auf einer kosmothematisch gestalteten LP, die in dieser Geschlossenheit noch kein AMIGA-Vorbild hat. (von Stefan Lasch)

Rezension der LP "Hunderttausend Urgewalten" - "Melodie & Rhythmus" (1982)

Die zweite Berluc-LP "Hunderttausend Urgewalten" ist mir rätselhaft. Da hört man von zählebigen Berluc-Titeln auf vorderen Hit-Paradenplätzen und von Veranstaltern, daß sich die Nordbezirks-Band selbst in der Abgeschiedenheit des Erzgebirges riesiger Beliebtheit erfreut und legt sich dann mit Vorfreude diese Titelsammlung auf den Plattenteller. Dank der AMIGA-Veröffentlichung wird man unabhängig von Sendezeit und Veranstaltungsorten, kann in Ruhe den Berluc-Rock genießen. Und da beginnt dieses rätselhafte. Mal so gehört sind "Bermuda-Dreieck", "Hunderttausend Urgewalten" oder "Bernsteinlegende" recht reizvoll, doch an einem Faden, sprich Plattenlänge, wirkt alles derart uniform und arm an Ideen, daß man gar nicht mehr an den Einzelerfolg glauben will. Trotzdem muß ja etwas dran sein an der Berluc-Musik. Für mich sind es die stimmungsvollen Deutungen der naturwissenschaftlichen Phänomene auf und in unserer Erde, die sich Kurt Demmler einfallen ließ. Sicherlich schlagen sich Experten nicht vor Begeisterung an den Kopf, wenn sie die Berluc-Bermuda-Dreieck-Variation oder die Bernsteinlegende hören. Doch das ist eine rockmusikalische Freiheit mit Phantasie und Originalität. Die thematische Geschlossenheit der ersten Plattenseite unterstreicht die Absicht der Autoren, Naturphänomene auf Rock-Art zu beschreiben. Allerdings sieht das eben nur per Text bzw. auf der Plattenhülle gut aus. Musikalisch passiert da kaum Aufregendes. Vom Sänger bis zum Komponisten, von den Arrangements bis zur Interpretation ist alles durchschaubar, weil von einfachster Machart. So sind zum Beispiel die Titel 1 und 3 sowie 2 und 4 in ihrer Grundkonzeption von verblüffender Ähnlichkeit. Eine Erscheinung, die sich auf Plattenseite zwei fortsetzt. Weiterhin fällt auf, daß Manfred Köhlers Stimme zwar zur Interpretation der Texte geeignet ist, aber sich sehr schnell in einer gepreßten, kraftstrotzenden Art erschöpft. Nuancierungen konnte ich nicht heraushören. Sehr deutlich wird seine "Stärke" in "Öffne ich mein Fenster". Kompositorisch besinnlich angelegt, ähnlich wie "Bernsteinlegende", schleudert er einem die Worte förmlich um die Ohren und das, obwohl der instrumentale Part in beiden Titeln verhalten und durchaus feinfühlig wirkt. Trotz dieser kleinen Einschränkung sind für mich die beiden Titel die einzigen musikalischen Farbtupfer dieser Platte.
Auch wenn es nicht einfach ist, dem Hard Rock - als solch einen Vertreter bewerte ich Berluc - Abwechslung abzuringen, reichen zaghafte Andeutungen nicht aus. Die Uniformität zerschlägt kleinste Regungen. Das, was Demmler an textlicher Phantasie einbringt, ziehen die Komponisten Köhler, Stehr und Pöppel über einen Leisten, unterstützt durch die Kollektiv-Arrangements. So sägt der neue Gitarrist Detlef Brauer munter im alten Trott weiter; Schlagzeuger Dietmar Ränker bietet ein bescheidenes Repertoire an Breaks und rhythmischen Finessen an; Keyboarder Alexander Stehr findet auch nur die sattsam bekannten elektronischen Klänge; Bassist Wolfgang Hoffmann spielt brav seinen Baß ohne auch nur einmal aufzufallen. Damit soll nicht gesagt sein, daß Berluc kaum zur Sache geht oder fad spielt, da "fährt" schon etwas ab, doch es wird eine Fahrt durch eine Einöde. Wenn sich aus musikalischer Sicht Plattenseite eins und zwei kaum unterscheiden, so bietet Seite zwei immerhin Texte, die sich mit dem Leben und einigen Verhaltensschattierungen beschäftigen. Die beiden letzten Titel dieser Seite schreckten mich dann durch ihren erhobenen Zeigefinger auf. In "Sind wir allein" noch verhalten, streckt er sich einem in "Glaube an dich" förmlich unter die Nase. "Glaube an dich" ist ein Mutmacher in der Art, wie ihn unsere erste Rock-Generation zu Zeiten von Team 4 oder Joco Dev ausprobiert und später aufgegeben haben. Im Konzert mag so etwas durchaus noch mitreißen, ein Plattenfinale ist es nicht.
Machte mich die erste Berluc-LP seinerzeit neugierig, so riefen die "Hunderttausend Urgewalten" eher Skepsis hervor. Das Grundkonzept mag wohl stimmen, doch seine Umsetzung bedarf schon einiger Überlegungen, um nicht plötzlich in eine musikalische Sackgasse zu geraten, aus der ein schweres Herauskommen ist. Bei aller Freude über eine zweite eigene LP wird auch deutlich, daß damit Ansprüche steigen, daß Vielseitigkeit, Interpretation und Farbigkeit gefordert sind, und daß die Titelauswahl kritisch beleuchtet werden muß. (von Stefan Lasch)

BERLUC - "Melodie & Rhythmus" (1982)

Wenn es zum Beispiel darum geht, die 50 erfolgreichsten DDR–Titel eines Jahres zu ermitteln, liegt BERLUC mit vorn. 1980 platzierten sich vier BERLUC-Titel in dieser Spitzenparade, 1981 waren es drei: "Bermuda – Dreieck", "Fliegen vor der Zeit" und "Bernsteinlegende".
Das Erfolge nicht einfach so vom Himmel fallen, sondern Ergebnisse ernsthafter Arbeit sind – auch davon wßsste BERLUC ein Lied zu singen. Auf der Suche nach dem eigenen Profil gab es Irrtümer, Ab– und Umwege. Musikanten wechselten, Konzeptionen wurden immer wieder neu durchdacht und verändert, bis 1977 unter dem Namen BERLUC eine Band entstanden war, die "Ihrs" gefunden hatte und wusste, wie es musikalisch weitergehen sollte.
1978 produzierte BERLUC "Hallo Erde hier ist Alpha", ein Titel, mit dem die Gruppe damals sozusagen vor der Zeit flog, denn einige Monate später startete der erste DDR-Kosmonaut ins All. 1979 erschein dann bei AMIGA die erste LP. "Reise zu den Sternen" war nicht nur ihr Titel, sondern auch eine thematische und musikalische Konzeption.
Das brachte übrigens verschiedene Leute auf die Idee, BERLUC unter Spacerock einzusortieren. Abgesehen davon, dass solche voreiligen Einordnungen oft recht zweifelhaft sind, wird man der Gruppe damit keinesfalls gerecht. BERLUC versteht sich als Hardrock–Band, die an internationalen Musiktendenzen zwar nicht vorbeispielt, aber (und das sei hier dick unterstrichen) sich nicht von Modewellen zum Nach– und Mitmachen verleiten lässt. Eigenes soll und kann präsentiert werden, Titel zum Thema "Weltall – Erde – Mensch", und zwar immer mit neuen Gedanken und vielfältiger Problematik. Die Texte schreibt Kurt Demmler. Es sind hauptsächlich solche, die trotz großer Thematik verständlich in der Aussage bleiben und überschaubare poetische Bilder anbieten.
Die Kompositionen liefern die Bandmitglieder Axel Stehr (keyb) und Manfred Kähler (voc). Bandsänger Manfred Kähler liegen besonders die rockigen Titel. Seine Interpretation kommt direkt und expressiv und damit genau drauf. Alle Arrangements entstehen in Teamarbeit. Das Kollektiv ist komplett mit Dietmar Ränker (dr), Wolfgang Hofmann (b) und Detlef Brauer (g). Detlef Brauer kam vor etwa einem halben Jahr zu BERLUC, schließt in diesem Jahr sein Studium an der Musikhochschule "Hanns Eisler" ab und hat alle Chancen, der dritte Mann im BERLUC–eigenen Komponistenverband zu werden.
Die fünf Musikanten kommen auffallend gut miteinander aus, sowohl beruflich als auch privat (was natürlich nicht ausschließt, das es hin und wieder Meinungsverschiedenheiten gibt). Dietmar Ränker ist die Seele vom Ganzen, immer in Aktion, organisiert alles (vom Auftritt bis zur Cola), beweist sich als Kollege und Kumpel, letzteres mit viel Sinn für Humor in jeder Lebenslage.
Im Sommer dieses Jahres erscheint bei AMIGA BERLUCS zweite LP. Sie heißt "Hunderttausend Urgewalten". Die Firma TELDEC produzierte mit Titeln der ersten und zweiten BERLUC-Platte Ende vergangenen Jahres eine LP für die BRD.
Mit Auftritten im Fernsehen, Rundfunk- und Schallplattenproduktionen erreicht BERLUC ein zahlenm&suml;ßig großes Publikum, aber: BERLUC spielt am liebsten im Konzert. Wer eins erlebt hat, weiß, worin der Unterschied zur Tonkonserve besteht, sei sie auch noch so perfekt! Konzerte schaffen eine ganz eigene Atmosphäre. Band und Publikum haben einen heißen Draht zueinander. Die Band wird an Ort und Stelle mit der Wirkung ihres musikalischen Angebotes konfrontiert.
Und wenn – wie im Falle BERLUC – das Publikum die Textzeilen begeistert mitsingt, dann ist das nicht nur ein Zeichen von Popularit&suml;t, sondern auch die Bestätigung dafär, das die Zuhörer das Angebot akzeptieren.
Die technischen Vorbereitungen für ein Konzert nimmt BERLUC sehr ernst. Drei bis vier Stunden vorher bauen sie auf, und zwar alle: Techniker und Musiker. BERLUC arbeitet mit einer Programmkonzeption, in der Lichteffekte, Lautstärke und Musik genau und überlegt aufeinander abgestimmt sind. Voraussetzung dafür ist, das eben nicht jeder nur seins macht, sondern sich fürs Ganze interessiert und verantwortlich fühlt.
BERLUC Techniker Ulrich Berg überschwemmt die Titel nicht mit dröhnender Klang-Masse. Er bemüht sich um akustische Verständlichkeit der Textaussagen und um die Betonung musikalischer Effekte mittels differenziert eingesetzter Lautstärke. Ebenso durchdacht wirkt die Lichttechnik, für die Eckhard Weiß zuständig ist. In Zusammenarbeit mit Dietmar Ränker entstand eine Konzeption, mit der versucht wird, Musik in Farbe, Licht und Bilder zu übersetzen.
"Live geht der Ofen an", schrieb "neues leben" einmal über BERLUC, und das ist wohl weniger eine journalistische Übertreibung als vielmehr ein Beweis dafür, das die Band ihre Freude an der Sache Musik im Konzert am deutlichsten mitteilen und übertragen kann. Da gibt es keine Trennung in "Wir-auf-der-Bühne" und "Ihr-im-Saal", keine kühle Distanz und keine Routine - aber nach den Auftritten meist noch eine Diskussion mit Fans, Nicht-Fans und einfach nur neugierigen. (von Marianne Büttner)
ZURÜCK WEITER