Zeitungs-Ausschnitte: Biest (2)

"Kampf um's Überleben" - Zeitschrift "Metal Hammer" (1990)

Zu den wenigen Powermetal- und Thrash-Bands, die in der DDR schon einmal auf einem Produkt der staatlichen Firma AMIGA präsent sein durften, zählten BIEST. Allerdings handelte es bei BIEST's Vinylpräsenz lediglich um eine sogenannte "Quartett-Single" - einer Single, auf der auf jeder Seite zwei Stücke statt nur dem üblichen einen zu hören war.
Bereits Anfang 1985 formiert sich das Quintett und spielt nach anfänglichen Besetzungsschwierigkeiten seit '86 im konstanten Linu-Up. Dabei orientierten sich Norbert Bode (v), Hartmut Rosenhahn (b), Uwe Klotz (g), Frank Lawrenz (g) und Ralf Wiesenack (d) gleich von Beginn an an solchen Bands wie Grave Digger, Motörhead und Acts der NWOBHM.
Die damalige erste Teilnahme an einem Nachwuchs- und Interpretenwettbewerb wurde dann auch gleich mit der Spitzenposition unter 20 Mitbewerbern ein voller Erfolg. Als Preis winkte übrigens die Produktion eines (!!!) Tracks in einem volkseigenen Studio. Und dieser sodann produzierte Track mit dem so beziehungsreichen Titel "Metal" belegte sofort nach seiner Vorstellung im damaligen DDR-Rundfunk die allerersten Plätze diverser Polls. Mit weiteren , unausbleiblichen Studioproduktionen wie "Grab im Moor", "Sensenmann" und vor allem "Crash Thrash" konnten sich die "Biester" republikweit Gehör verschaffen und schließlich den Profi-Status erringen.
Dennoch hat jetzt eine der erfahrensten und professionellsten Metal-Bands der eingemeindeten neuen fünf Bundesländer andere Sorgen als das Aufnehmen von LP's: "Um an der Spitze bleiben zu können, brauchten wir eine vernünftige PA. Auch wenn die Summe, die wir als Kredit aufnahmen, durch die Währungsumstellung halbiert wurde, bleibt doch noch ein beträchtlicher Betrag. Doch wie sollst Du als Profi bei der atemberaubenden Anzahl von jetzt ein bis drei Gigs im Monat das Geld auftreiben, um den Kredit zurückzahlen zu können, und dann noch am Leben zu bleiben?" Sorgen technischer Natur kommen zu allem Überfluß auch noch hinzu: "Man hat uns jetzt klargemacht, daß unser Band-LKW niemals durch den nächsten TÜV kommen wird! Also müssen wir uns einen neuen Transporter kaufen."
Doch woran liegt es, daß die Anzahl der Konzerte von früher 20 auf jetzt zwei, drei im Monat gesunken ist? "Das hat vielschichtige Gründe. Viele Häuser haben zugemacht, werden renoviert, zu einem "feinen" Gasthaus umfunktioniert. Abgesehen davon sind die Eigentumsverhältnisse zumeist noch ungeklärt und die ehemals staatlich geförderten Jugendclubhäuser machen fast alle dicht. Jetzt muß auf einmal Kohle gemacht werden - daß man aber auch mit guten Metal-Konzerten Geld verdienen kann, kriegen hier viele einfach noch nicht gepeilt."
Im Gegensatz dazu bescherten einige Auftritte im alten Teil des wiedervereinigten Landes (zusammen mit Mortality, Calvary, Creack Deseaster) Biest allgemeine Anerkennung. Doch davon, daß man nun endlich nach all den bisherigen Hemmnissen in der ehemaligen DDR seiner Kreativität sorglos freien Lauf lassen kann, können die Herren von Biest auch heute nur träumen. (von Andreas Schöwe)

"Harte Zeiten" - Fanzine "Underground Empire Nr.3" (1990)

Drei Tage vor Redaktionsschluß und ich weiß ohnehin nicht, wo mir der Kopf steht vor lauter Arbeit. Es kommt, wie es kommen muß - inmitten der Post befindet sich ein Päckchen von BIEST, die das Interview beantwortet zurückschicken. Guter Rat ist also teuer - keine Zeit und zudem ist eigentlich kein Platz mehr vorhanden! Dennoch habe ich das Interview bearbeitet, denn diese fünf Jungs a) gefallen mir muskalisch sehr gut b) haben mich live noch weitaus mehr überzeugt c) gehören zu den symphatischsten Musi­kern, die ich bislang kennengelernt habe d) sonstiges. Außerdem wollen wir nach der Wiedervereinigung der ex-DDR bzw. die fünf neuen Bundesländer (wie Ihr wollt) nicht vergessen und mit BIEST wollen wir einen Anfang machen.

OK, Frank, fangen wir doch mal ganz systhematisch an - mit der Bandhistory. Ihr existiert schon länger als manch andere Band, wohnt viel näher zu uns als irgendeine Band vom anderen Ende der Welt. Dennoch weiß man über Euch praktisch gar nichts. Daher möchte ich Dich bitte, uns etwas aufzuklären!
Wir haben uns im Sommer 1985 gegründet. Aufgrund mehrerer Zufälle kamen wir aus total verschiedenen Bands zusammen. Ich war z.B. zuvor in einer Bluesrockband. Wir haben uns dann einen Proberaum gebaut und angefangen zu proben. Da unser erster Auftritt im Herbst '85 gleich gut abging, daß wir hofften, einen günstigen Weg eingeschlagen zu haben. Irgendwann kam dann dann vom Rundfunk ein Aufruf an alle Amateur Heavy Metal Bands, Demos einzuschicken. Im Mai '86 erhielten wir einen Anruf und man sagte uns, daß wir den ersten Platz belegt hätten. Von da an ging's dann erst richtig los. Es wurde vom Rundfunk verschiedene Livemitschnitte gesendet und wir konnten kostenlos einen Song produzieren. Wir wählten "Metal" aus, nahmen ihn auf und er lief im Rundfunk sehr erfolgreich, was eine Art Kettenreaktion auslöste. Wir durften also aufgrund dessen wieder einige Songs produzieren, die ebenfalls günstig liefen. Das war alles noch 1986. Wir haben weiter an uns gearbeitet und schließlich 1988 die "Crash Trash" EP aufgenommen.
Erzähle uns doch bitte etwas über Eure Erfahrungen unter der sozialistischen Regierung. Inwiefern wurdet Ihr als Band staatlich kontrolliert - wobei mich besonders interessiert, wie sich das in Bezug auf Eure Texte verhalten hat.
Man konnte im Prinzip spielen, was man wollte und auch die Auftrittssituation war nicht schlecht. Ein Problem war, die Einstufung zu erhalten, sprich die Erlaubnis zu spielen. Es gab da die Grundstufe, die Mittelstufe, die Oberstufe und schließlich die Sonderstufe. Wen man letztere erreicht hatte, konnte man eigentlich machen, was man wollte - es durften nur keine deutschen Texte sein, in denen man den Staat direkt anspricht.
Wie kam es zu Eurem Vertrag mit AMIGA, dem damals einzigen staatlichen Label, und welche Bedingungen wurden dabei an Euch gestellt?
Der Rundfunk ist sicherdurch unsere günstigen Platzierungen auf uns gekommen. "Manne (gegen Gewalt)" war 12 Wochen Platz 1, was bedeutete, daß wir damit einen Rekord brachen. So wurde AMIGA auf uns aufmerksam. Wir mußten uns aber trotzdem ganz schön ranhalten, daß wir da einsteigen konnten. AMIGA hat sich nicht kundig gemacht, welche Band gut läuft, sondern die gingen anscheinend nach dem Alphabet vor. Da war z.B. "B" dran und dann wurde eben BABYLON unter Vertrag genommen. Es war eben auch Planwirtschaft in der Musikbranche. Außerdem lief bei AMIGA viel nach der Mafiamethode ab. Es zählten also Vetternwirtschaft und gute Beziehungen, nicht aber gute Musik. Die Vertragsbedingungen für uns waren sehr einseitig. Wir mußten alle Rechte abgeben und hatten einen Reingewinn von 2000.- Ost Mark, sprich nichts. Wir hätten natürlich den Vertrag ablehnen können, aber dann hätte uns AMIGA selbstverständlich fallen lassen, denn verhandeln war nicht möglich. Wir konnten den Vertrag akzeptieren oder nicht, es gab keine andere Möglichkeit. Da es für uns verständlicherweise eine große Sache war, eine Platte aufzunehmen, haben wir notgedrungen akzeptiert.
Ihr wart auch auf dem "Rockbilanz '89" Sampler vertreten. Wie kam es dazu?
Wir erhielten einfach eine kurze Mitteilung, daß wir mit "Crash Trash" drauf sind und wir möchten doch bitte ein Foto schicken.
Ein zweifelsohne wichtiger Punkt sind die Texte. Zur Zeit der SED-Regierung durftet Ihr ja sicher keine sozialkritischen Texte schreiben. Also habt Ihr viele Texte, die bekannte Rockklischees behandeln, z.B. "Motortraum". Ich denke aber, daß Ihr als Alternative auf einen Fantasytext wie "Grab im Moor" oder auf Sachen wie "Manne (gegen Gewalt)" ausgewichen seid, die einen gewissen Kompromiß darstellten - also nicht sozialkritisch, aber doch nicht klischeehaft. Jetzt hab ich aber genug rumanalysiert, erläutere Du die Sache bitte!
Es war immer eine Gratwanderung - also unsere Ideale in die Texte zu bringen und auch mal Probleme anzusprechen, ohne anzuecken. Das war immer recht schwierig. Im Prinzip konnte man live fast alles singen. Nur wenn es darum ging, diese Texte auf Platte zu bringen, gab es dermaßen viele Probleme und Diskussionen, daß wir schon überlegt haben, alles abzublasen. Wir mußten Kompromisse eingehen. Ich könnte Dir mal die Originaltexte zuschicken, die wir seinerzeit dem Rundfunk vorlegten und da sieht man deutliche Unterschiede zu den Endtexten. Um es nochmal zu betonen - an der Basis war alles möglich, aber sobald es in die Breite ging, sprich Medien, wurde man beschnitten. Was dann wirklich im Fernsehen lief, waren die braven Bands, ganz schick, mit duftem Haarschnitt, etc.
Inwiefern ist "Crash Trash" repräsentativ? Ich denke da besonders an diese neuen Demos, die mir Uwe damals vorlaufen ließ, die ja doch etwas anders klangen.
Diese Demos zeigen unseren momentanen Stil. Wir haben uns da nicht festgelegt, sondern wollten da ziemlich in die Breite gehen. Ich weiß eigentlich gar nicht, wie man uns bezeichnen soll. Vielleicht wenn wir mal mit einer guten Plattenfirma ins Geschäft kommen würden, die uns eine bestimmte Richtung vorschlagen würden, würden wir uns wohl einklinken, aber in der derzeitigen Livesituation sehen wir da keinen Anlaß dazu.
Das Cover von "Crash Trash", auf dem Ihr vor einigen Motorrädern abgebildet seid, kann man eigentlich nur als klischeehaft bezeichnen. Das riecht für mich so, als hätte da irgendein Büromensch von AMIGA in seiner Rock'n'Roll-Klischeekiste gekramt und sein Lieblingmotiv Euch aufs Auge gedrückt. Inwiefern konntet Ihr bei der Covergestaltung mitwirken?
Da kann ich Dir nur zustimmen - das Cover ist klischeehaft. Wir hatten AMIGA mehrere Motive angeboten, vom Schrottplatz angefangen bis hin zu ziemlich chaotischen Sachen. AMIGA hat sich dann aber für dieses Bild entschieden, das alles andere als günstig ist. Wir konnten keine Einwände machen. Genauso wollten wir statt "Motortraum" das Instrumental "Hard Feeling" auf der EP haben, da wir "Motortraum" zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr im Liveprogramm hatten, da er nicht mehr aktuell war. Wir haben diesbezüglich bei AMIGA nachgefragt, aber keine positive Antwort erhalten. Man hatte nichts zu melden, sondern konnte froh sein, daß man überhaupt eine EP machen durfte.
Zur Zeit des SED-Regimes hattet Ihr trotz aller Nachteile ein gesichertes Leben als Profimusiker. Nach dem Fall der Mauer ist das nicht mehr gegeben. Welche Möglichkeiten rechnet Ihr Euch für die Zukunft aus?
Wir haben uns mächtig gefreut, daß es endlich mit der politischen Situation und der Einheit Deutschlands vorwärtsging. Aber so gut das alles ist, die Möglichkeiten für Bands sind hier derartig gesunken, daß man nicht mehr von einem Bandsterben, sondern einer Bandausrottung sprechen muß. Auch uns geht es momentan sehr schlecht. Wir haben keine günstigen Auftrittsmöglichkeiten. Wir spielten früher 10-15 mal im Monat und jetzt höchstens mal 2 oder 3 mal. Das hat mehrere Gründe. Zum einen gibt es momentan andere Sorgen als Rockmusik. Viele Konzerthallen haben zugemacht, weil die Besitzer gewechselt haben und die ganzen Rechte geklärt werden. Die ganzen staatlichen Jugendclubs kriegen kein Geld mehr und müssen sich selbst um alles kümmern. Das kann sicher funktionieren, aber die Leute müssen die Marktwirtschaft erst mal lernen. Außerdem kommen weniger Leute, weil sie das Geld mehr festhalten als zuvor. Es sind Problem über Probleme, was aber nicht heißen soll, daß wir den Fall der Mauer mißbilligen würden. Wir freuen uns und sind optimistisch, daß es in Zukunft besser wird. Ich hoffe nur, daß wir es als Band miterleben dürfen.
Euer Liveauftritt damals hat mich stark beeindruckt, besonders in Sachen Professionalität und Fankontakt. Ich vermute, daß das daran liegt, daß Ihr als Profimusiker, die natürlich oft auftraten, kräftig Erfahrung gesammelt habt.
Das wurde uns schon von vielen Zeitschriften bestätigt, auch im METAL HAMMER. Das liegt an unserer kontinuierlichen Arbeit. Wir sind seit 5 Jahren in der gleichen Besetzung und wechselten lediglich ganz am Anfang mal den Schlagzeuger. Wir sind Typen, die Spaß an der Sache haben und für uns war schon immer die Arbeit mit dem Publikum sehr wichtig. Auf die Bühne stellen und den Star miemen das läuft bei uns nicht! Damit sind wir echt gut gefahren und haben so in Ostdeutschland echt großen Erfolg. Ich hoffe, daß das auch in Westdeutschland noch wird.
Von der Optik her kann man, wenn man Euch böse will, als Rentnerband verschreien, ohne daß ich Euch hiermit zu nahe treten will. Man muß aber feststellen, daß zwei von Euch doch schon recht alt sind.
Sicherlich, aber das Alter ist nicht die Frage, sondern wichtig ist die Power rüberkommt. Wir haben schon mit sehr viele Bands, auch westdeutschen gespielt, und konnten da immer mithalten und teilweise sogar überzeugen. Auch Lemmy ist nicht mehr der Jüngste. Aber solange die Power stimmt, ist uns das Alter egal. Sollte es da mal Probleme geben, muß man sich natürlich über die einzelnen Leute unterhalten, ob es mit ihnen noch weitergehen kann. Denn wie stark eine Kette ist, weißt Du ja!
Noch kurz die bekannte Abschlußfrage, warum Ihr Musik macht, etc. (Kennt man ja... - Red.)
Ja, da gibt es eine ganz einfach Antwort: weil es Spaß macht!
Irgendwie fand ich es schon damals, als ich bei der Band in Lohfelde gewesen war, tierisch interessant mit den Jungs zu sprechen und gleiches muß ich nun vom Interview sagen. Irgendwie kamen hier Sachen rüber, die man nicht in jedem zweiten Interview in abgewandelter Form liest. Ich hoffe, daß Ihr Interesse an der Band gefunden habt und ihnen mal schreibt, denn die Band hat moralische Unterstützung wahrhaft nötig! Vielleicht könnt Ihr ja noch die "Crash Trash" EP erwerben. (von Stefan Glas)

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