Zeitungs-Ausschnitte: Madhouse

"MADHOUSE - Wie in der Klapsmühle" - Zeitschrift "Metal Hammer" (1990)

Stellt Euch einmal ein üblicherweise völlig überlastetes Nahverkehrsmittel im östlichen Deutschland zwei Jahre vor dem "Big Chance" vor: Man rempelt um die besten Plätze in der Nähe der intensiv verdreckten Fenster: "Mach' Platz, du Winzling, sonst hau' ich dir meinen Bass um die Ohren!" - "Verschwinde lieber, wenn du nicht durch meine solide Jolana-Gitarre eine Nasenbein-Fraktur erleiden willst!" Man mischt sich ein: "Bewichst euch draußen, oder seid ihr scharf auf eine schmerzhafte Erfahrung mit meinen vier-Mark-achtzig-Drum-Sticks?" "lst ja wie im Irrenhaus..." bemerkt ein mit einem mikrofonständerähnlichen Folterinstrument bewaffnetes Etwas, was aus der Ecke - anscheinend nicht aus dem Lärm zu bringen - reges Interesse an dem intelligenten Disput zeigt.
Genau! MADHOUSE was born... Heiko "HH" Hesse (g), David Sommer (b), Frank "Ossi" Oswald (dr) und Mario "HM" Hänig (v) versuchen nun, Herr der Spätfolgen jenes besagten Tages zu werden. Und das mit harter Probearbeit, mit dem Basteln von eigenen Songs sowie zahlreichen Live-Auftritten. Gerade letztere stellten ja die einzige Chance dar, die Band mit ihrem Metallica- und Slayer-orientierten Sound über die Stadtgrenzen von Freital hinaus bekanntzumachen. Das während dieser Auftritte selbst vertriebene Demo "T.F.O." fand dabei reißenden Absatz und steigerte den Bekanntheitsgrad des Quartetts weiter. Besonderes Interesse erregten dabei die Lyrics von MADHOUSE, die - fast schon stilgerecht - ihre Inspiration vor allem in den Werken des Meisters E. A. Poe fanden.
Hatte man vor dem November '89 diversen Zoff mit den staatlichen Behörden, so wurde der Problemkatalog inzwischen nicht kleiner. Schlagwerker "Ossi" wurde nach der Währungsunion arbeitslos, Basser David leistet momentan Zivildienst und der noch verdienende Rest hat an den Auswirkungen eines Kredits vom letzten Jahr zu kauen, mit dem dringend benötigte Technik (allerdings zu den damals üblicherweise bis zum Zehnfachen überhöhten Preisen) gekauft wurde. Unter diesen Bedingungen künstlerisch aktiv zu bleiben, mutet fast schon abenteuerlich an, zumal eine andere Geldquelle - die Live-Auftritte - jetzt fast völlig weggefallen ist. Da sich kein Veranstalter fand, der Band ein Konzert zu ermöglichen, ging man hier zur Selbsthilfe über und mietete auf eigene Kosten einen Saal. Wie dieses Finanzabenteuer ausgehen wird, steht in den berühmten Sternen, zumal sich die Band verpflichten mußte, auch die Gastronomie dieser Veranstaltung abzusichern.
Als "Prickelnd" erweist sich jetzt neuerdings auch die Proberaum-Affäre: Infolge des Einzugs der Marktwirtschaft in der ehemaligen DDR streiten sich die lieben Mitbürger selbst um die vollgemachtesten Plumpsklos, um sie in Videotheken, Fast-Food-Buden oder Bordelle umzufunktionieren. Auch MADHOUSE verloren infolgedessen ihren Proberaum - ein neuer ist vorerst nicht in Sicht.
Sollte man immer noch auf der Suche nach einem geeigneten Namen für ein geeintes Germany sein - MADHOUSE würden ihren Namen zumindest für den östlichen Teil liebend gerne abtreten. Doch das nur, falls man den vier Herrschaften reelle Wege der Lösung ihrer Probleme aufzeigen kann... (von Andreas Schöwe)
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