Zeitungs-Ausschnitte: Prinzip (3)

"Ein Rockkonzert muß sein wie..." - Zeitschrift "Melodie & Rhythmus" (1985)

Matko ist der Leadgitarrist. Matko ist der Boss. Matko ist knallhart, auf seiner Gitarre und auch sonst. Matko fordert. Wer mithält kann bleiben. So entsteht Leistung, professionelle Leistung. Heavy Metal, Hard Rock. Hausnummern, die nur zum Teil die richtige Prinzip-Adresse angeben. Feuer-Rock? Power-Rock? ...
Zehn Jahre Prinzip. Rückblick: Jürgen Matkowitz erlernte den Beruf eines Drehers mit Abitur. Stieg vor Beginn des 11. Schuljahres aus. Matko: "Wir haben in Schichten gearbeitet, auch an den Wochenenden. Da machte ich aber Musik. Ich mußte mich entscheiden." Matko entschied. Stieg nicht in die Schule zur Zeugnisübergabe, sondern in ein Flugzeug der damaligen Luftlinie Leipzig-Barth zur Mugge mit der (kurzzeitig unter diesem Namen tingelnden) Gerd-Kolbe-Combo, in der er Baß oder Gitarre spielte. Matko ist Autodidakt. Er sagt: "An die Klampfe rangeführt haben mich die Beatles. So wollte ich spielen. War in der 7. Klasse. Ich fand auch 'ne Gitarre, riß auf ihr 'rum. Nach den ersten blutigen Fingern flog das Ding in die Ecke. Ein Jahr später traf ich einen, der kannte 'n paar Griffe." Die erste Band entstand, Matko am Baß, an der Gitarre übrigens Thomas Fritzsching (heute Silly). Späö;tere Stationen: Reny-Combo, Renft, Frank Schöbels Begleitgruppe. Matko: "Diese Zeit hat mich geschult. Diese Jahre kann man nicht erklären, man muß sie erlebt haben. Derlei prägt."
Harten, vitalen Dreier-Rock wollte er von nun an spielen. Das war die erste Prinzip-Besetzung. Doch nicht genug des Probierens, des Auslotens der günstigsten musikalischen Tauchtiefen. Matko bezog Keyboards in den Prinzip-Rock ein, spielte im Quartett. Matko steht aber nicht auf Keyboards, sind ihm zu weich, zu "pappig", Matko will Gitarrensound voller Druck und Dynamik. Also wieder 'runter von der Bühne mit den Tastenbrettern (und dem Mann, der sie anschlug). Weitere Suche und das Finden eines "Vokalisten mit Gitarrenkenntnissen", der Keks-Übernahme Ralf "Bummi" Bursy. Matko und "Bummi" sind die Säulen des derzeitigen Prinzip-Tempels. Matko saß noch einmal in der Schulbank, eigentlich in zwei Schulbänken, Teil 1: in der Hochschule für Musik, Teil 2: in der Musikschule Friedrichshain. Hat er nun gefunden, wonach er suchte? Matko am Ziel seiner Träume? Matko: "Ich habe mein festes Gleis, ja, aber das, was ich mir vorstelle, absolut, total, - nein, das bleibt noch zu tun. Wobei dies eine Entwicklung ist, deren Ergebnis sich wie ein Mosaik zusammenfügt. Erkenntnisse fließen ein, auch Störungen. Eine Band besteht aus vier verschiedenen Persönlichkeiten, die aufeinander einwirken, die ihre Freiräume brauchen und ihre Spielkästen. Ich bin aus dem After 'raus, wo ich mir über 'n Zaun helfen lasse." Zweifelsohne, Matko weiß genau, wo es langgeht, rockmusikalisch, persönlich, prinzipiell.
Die derzeitige Prinzip-Besetzung: "Bummi", Bodo am Baß Stefan am Schlagzeug und eben Matko. Was ich besonders mag an ihm ist sein Lachen. Er kann völlig "zusammenbrechen" vor lauter ihn geballt schüttelnder Heiterkeit. Er hat ein Feeling für komische Situationen, die er aus dem Stegreif schöpft, die er schon wittert, während andere sich noch verständnislos anstarren. (Matko erfreut sich z.B. an ulkigen Keramikfiguren, Gartenzwergen und aufziehbaren Blechvögeln, die minutenlang auf dem Frühstückstisch herumpicken.) Matko ist Nichtraucher, gelegentlicher Teetrinker und verzieht seltsam berührt das Gesicht, als ich ihn nach seinem Spezialschluck frage. Matko steht nicht auf Alkohol. Dennoch ist Matko einausgesprochener Genießer...
Matko verfügt über einen ausgeprägten Spieltrieb. Wer Prinzip-Konzerte erlebt, kennt das. Da toben "Elefanten" ber die Bühne, überhaupt wird innerhalb der Dramaturgie mit einfallsreichem Maskenspiel jongliert, dämonisch geht es zu, Rauch steigt auf, durchdringt die Requisiten und Deko-Wände, Lichtbalken werden über die Bühne "gezimmert", naja, und dann, dann das Einmalige hierzulande: die Laser-Show a la Prinzip. Was bedeuten ihm derlei Effekte? Matko: "Ich bin der Meinung, daß die Zuhörer in den Konzerten einfach mehr geboten bekommen müssen als nur das Abspielen von Musiken. Da können sie sich auch 'ne Platte kaufen und zu Hause bleiben. Live, das bedeutet für mich "lebendig", "erlebnisreich", "gewaltig", allsowas. Ein Rockkonzert muß sein wie ein großer bunter Zirkus mit einer Wahnsinnsmusik. Manchmal erlebe ich Musiker auf einer Bühne, die sehen aus, als würden sie jeden Moment einschlafen. Ich denke mir: sie schämen sich, daß sie da sind. Musik muß ordentlich und einmalig an die Leute gebracht werden. Mit Effekten verstärken und illustrieren wir unsere Titel. Das gesamte Konzert muß so aufgebaut sein, daß man alle Leute erreicht, und sei es nur mit der Ansage! Wir Musiker haben die Pflicht, Erlebnisse zu schaffen." (von Michael Meyer)

"... wieder auf der Rocklinie" - Zeitschrift "Melodie & Rhythmus" (1988)

Prinzip ist keine Band der großen Sensationen, Bandchef Matkowitz hält nichts von den gewaltigen, funkensprühenden Knalleffekten, die doch immer auch Brandspuren hinterlassen. "Matko" ist pfiffig. Und klug. Und clever. Und er ist ein Arbeiter, ein ruheloser, einer von jenen, von denen Druck ausgeht. Ständig. Druck, kreativer Druck, auf die Band, aber auch auf sich selber. Matko braucht keine Pausen. Und hat er eine, dann nutzt er sie zum Ausknobeln, zum Entdecken neuer Marktchancen, zur Entwicklung irgendwelcher raffinierter technischer Tricks, die er dann auch möglichst sofort umgesetzt sehen und hören will.
Verfolgt man das Leben dieser Band über die Jahre, dann weiß man: Sie war immer da, sie hat immer gespielt, sie hat immer Titel und Platten produziert, sie war immer national und international auf Tour, sie war immer erfolgreich, und sie ist es auch derzeit. Dieser Erfolg ist kein lärmender, aber ein stabiler, obwohl es bei Prinzip keineswegs leise und still zugeht. Bestandteil einer Strategie? Matko lächelt, ich bejahe. Matko entdeckt Möglichkeiten, die andere übersehen, worüber manche in ihrer Un-Ahnung lächeln, da hat Matko gut Lachen. Er kooperiert mit Gruppen aus und in der CSSR, er bereist wochenlang mit Prinzip und aus Prinzip die UdSSR, pro Tag mitunter zwei Konzerte, eine Strapaze ist das, eine in vieler Hinsicht lohnende. In der UdSSR kam eine Prinzip-Single auf den Markt, als Test-Auskopplung der vierten LP, die Single war landesweit schnell vegriffen...
Matko ist ein Sucher. Und er findet gute Leute für seine Band, für seine Projekte, hat Partner: Wolfgang Franke zum Beispiel, "Wolle" steht bei Prinzip am Gesangsmikro, er hat zwei Titel zur neuen Prinzip-LP beigesteuert: "Halt mich fest" und "Tiger der Nacht". Damit bin ich beim Thema LP. Sie ist mit "Phönix" überschrieben, dem Namen jenes einst von den Ägyptern verehrten Vogels, der der Sage nach so alle 500 Jahre erschien, sich später auf dem Scheiterhaufen verbrannte und verjüngt wieder aufstieg. Man kennt das. Nun ist es nicht so, daß Prinzip nur alle "500 Jahre" eine LP auf den Markt bringen, es ist auch nicht so, daß Prinzip eine Verjüngungskur a la Phönix nötig hätte, den Titel der LP gab der fünfte Song auf der A-Seite (Matkowitz/Witte). Ansonsten geht es auf dieser Scheibe derb und deutlich, die Gitarre ist erfreulich weit vorn, "Matko" entlockt ihr wahrlich Kunststücke, wirkungsvoll und emotional hart durchdrungen. Eine Steigerung für den Meister "Matko" über seine, über die neue Prinzip-LP: "Das 'Weinerliche' ist abgesagt, wir liegen wieder schön auf der Rocklinie." Das kann ich bestätigen. "Matko" gab mir eine Demo-Kassette, in Eile kopiert, wenige Minuten vor Abflug in die UdSSR (60 Konzerte in acht Wochen), wenige Tage nach jenem Verkehrsunfall, bei dem zu nächtlicher Stunde ein BRD-Lastzug auf der Autobahn den Prinzip-Technik-LKW und Hänger in den Straßengraben drückte. Er, "Matko", hatte also zu tun. Reichlich. Letzte Frage. Ist Prinzip wieder auf der alten Linie? "Matko": "...auf der alten neuen Linie!?" (von Michael Meyer)
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