"Start mit WILDEN WOCHEN" - unbekannte Zeitschrift (1988)VOM ALLTAG EINER AMATEURBAND - MIT ENGAGEMENT, IDEEN AUF DEM WEGE ZUM PUBLIKUMEs ist in dieser geruhsamen Sonntagmittagstunde zwischen 12 und 13 Uhr, als sich von Berlin ein alter, verrosteter Wolga in Bewegung setzt - gen Berkenbrück. Darinnen vier jener "verrrückten" Amateurmusiker (von denen es 15 bis 20 000 gibt), für die ein Wochenende erst vollkommen ist, haben sie mindestens einmal, besser aber zwei-, dreimal auf der Bühne gestanden. Vorn am Steuer Jürgen Schmidt (Atta), 31 Jahre, einziger Berufsmusiker der Band, Gitarrist. Einer von den ganz Besessenen. Es ist keine drei Wochen her, da löste sich "Triolog" auf - der Bassist ging zu "Babylon" -, doch schon brennt er für seine neue, junge Truppe. "Neulich während der Probe im Jugendklub "Straße der Befreiung" hab' ich zu den Jungs gesagt, "guckt mal auf meinen Arm: Gänsehaut! Leute, es klingt!" Neben ihm Fränki Matthes, 25, gelernter Maler, Schlagzeuger, Musikstudent in spe. Hinten im Wagen Thorsten Hennig (Henner), Elektriker, Sänger, und Christian Merz (Marta), Labormechaniker, Bassist, beide 19 erst. Der B 1000 auf dem kleinen Hof der Kommissionsgaststätte "Zur Erholung" in Berkenbrück (übrigens Träger des "Blauen t"), ist beruhigendes Zeichen dafür, daß die Techniker Steffen Nitzsche und Norbert Gruchmann längst bei der Arbeit sind. Die Anlage steht auf einem kleinen Podium, Steffen steigt sicher zwischen Kabeln, Boxen und Mixer umher. Gegen 15 Uhr mögen die Kaffeetassen in den umliegenden Bauerngehöften das erste Mal ein wenig geklirrt haben: "Triolog" macht Soundcheck. Fränki bearbeitet die große Trommel, und wir denken: Ob das die kleine, niedrige Gaststätte verkraftet? Der Gaststättenleiter deckt inzwischen bedächtig die Tische mit weißen Tischdecken ein, fragt, wer von den Musikern später ein Schnitzel essen möchte und setzt sich dann mit der Kasse an die Eingangstür. Gegen 17 Uhr ist der Saal gefüllt, schätzungsweise 200 junge Leute sind gekommen, mit dem Motorrad, Fahrrad, auch aus der Kreisstadt Luckenwalde. Viele begrüßen die Musikanten mit Schulterklopfen oder Handschlag. Einfach, weil es halt Kumpels sind, die jene Musik spielen, die sie mögen, Hardrock, Schwermetallrock a la Saxon, Van Halen, Ozzy Osborne. Es sitzt nun fast keiner mehr im Saal, die Musik hat solchen Druck - man kann nicht ruhig bleiben. Marta schüttelt seine Lockenpracht im Rhythmus, Henners Gesicht ist in weiches, rotes Licht getaucht, das Norbert von der Seite her aussteuert. "Triolog" stellt den neuesten Titel, "Wilde Wochen", vor. Produziert bei Gunther Wosylus dank eines Fördervertrages mit der FDJ-Kreisleitung Lichtenberg. "Such dir neue Leute und stell sie uns vor, wir helfen dir auch und gerade bei einem neuen Start", hat der 1. Sekretär zu mir gesagt, als die alte "Triolog"-Mannschaft aufflog. Kannst dir denken, was mir solch echte Partnerschaft bedeutet." Moralisches Hinterland, Rückenstärkung ebenso wie Finanzierung von Werbematerial, Textabsprachen, Hilfe bei Freistellungen, Qualifizierungsmöglichkeiten... Die Stimmung in Berkenbrück indessen ist auf dem Siedepunkt. Die "Triolog"-Mannen steigern, eine Zugabe, noch eine und noch eine... Dann geht das Saallicht an. Es ist kurz nach 21 Uhr. Fränki, triefend naß, kramt in der improvisierten Garderobe nach einem Handtuch. Henner sinkt auf einen Stuhl und schließt für Sekunden die Augen. Das war's, was sie wollten: sich ausspielen zur Freude ihrer Zuhörer. Denn ihr wichtigster Grundsatz heißt: "Es gibt kein schlechtes Publikum. Wenn wir es nicht packen zu begeistern, liegt's allein an uns." |